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Zeithistorische Forschung Potsdam e.V.

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Matthias Waechter

Mythos

Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.02.2010
https://docupedia.de//zg/Mythos

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.581.v1

Artikelbild: Mythos

Kemalistische Demonstrant/innen vor Atatürk-Mausoleum, Anıtkabir, April 2007, Foto: Selahattin Sonmez <a rel="nofollow" class="external text" href="http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Protect_Your_Republic_Protest_-_… Commons</a> (<a rel="nofollow" class="external text" href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5/deed.en">CC BY-SA 2.5</a>)

Der Versuch den Terminus "Mythos" theoretisch zu verorten wird mit einer verwirrenden Vielfalt von Ansätzen und Definitionen konfrontiert: Man begegnet einer Mischung aus Alltagssprache und kulturwissenschaftlicher Konzepte. Vor diesem Hintergrund versucht Matthias Waechter in seinem Artikel nicht zu bestimmen, was „Mythos an sich" ist, sondern eine für Zeithistoriker/innen verwendbare Definition zu generieren. Dazu behandelt der Autor die verschiedenen gesellschaftlich-politischen Funktionen von Mythen, fragt im nächsten Schritt nach den Spezifika zeitgeschichtlicher Mythen und untersucht, in welchen Bezügen diese zu Phänomenen wie Nation, Ideologie, Personenkult und Demokratie stehen.

Mythos

von Matthias Waechter

Mythos ist ein inflationär gebrauchter Begriff der Alltagssprache sowie eine fundamentale Kategorie verschiedener Kulturwissenschaften. Die Geschichtswissenschaft hat sich bislang nicht entscheiden können, ob sie Mythos im alltagssprachlichen Sinn verwenden oder den Terminus als einen Grundbegriff des Fachs etablieren will. In Medien und Alltagssprache wird der Mythos-Begriff für Personen, kollektive Bewegungen, Dinge und Ereignisse verwendet, die eine Berühmtheit erlangt und Gegenstand eines öffentlichen Kults geworden sind. Gleichzeitig wird insinuiert, dass sich hinter der Fassade des Mythos eine weitgehend unbekannte Realität verbirgt, die das verehrte Phänomen in einem anderen, meist negativen Licht erscheinen lässt oder gar als Chimäre entlarvt. Ein kurzer Gang durch einen Bibliothekskatalog oder die Trefferliste einer Suchmaschine offenbart, dass Lady Diana ebenso wie Zarah Leander, das Bermudadreieck ebenso wie der chinesische Energiehunger, die Rosenkreuzer ebenso wie die Varusschlacht, das Jahr 1968 ebenso wie Erwin Rommel als Mythos gelten.

Viele Zeithistoriker/innen verwenden den Mythosbegriff gerne in seiner alltagssprachlichen Bedeutung. Zahllose Titel historischer Bücher und Aufsätze operieren mit der so beliebten Entgegensetzung von Mythos und Wahrheit bzw. von Mythos und Realität.[1] Mythos, so wird mit dieser Begriffsprägung suggeriert, ist notwendig eine Entstellung der Wirklichkeit, ein deformiertes, falsches Bild eines historischen Prozesses oder einer Person, ein aufgeblähter Ballon von Legenden, in den der Historiker mit dem Seziermesser der kritischen Wissenschaft hineinsticht. Diese Verwendung des Mythosbegriffs verweist auf ein fragwürdiges Verständnis von Wirklichkeit und Wahrheit. Denn Meinungen über Geschichte, gedankliche Konstrukte und kollektive Vorstellungen sind mit gleichem Recht Teil der Realität wie die „harten" historischen Fakten.

Während Historiker den Mythosbegriff nach wie vor in diesem Sinne verwenden, ist zugleich seit einigen Jahren zu beobachten, dass Mythos als Gegenstand und begriffliche Kategorie der Zeitgeschichte verstärkt reflektiert und ernst genommen wird. Dies hängt mit der kulturgeschichtlichen Wende der Geschichtswissenschaft zusammen, in deren Zuge Problemfelder wie politische Ästhetik und Traditionsbildung, kollektive Erinnerung und Identitätsvermittlung, Emotionen und Mentalitäten verstärkt untersucht werden. Somit gerät auch Mythos als eine grundlegende geisteswissenschaftliche Kategorie in den Blickpunkt. Will man aber den Terminus theoretisch verorten, ist man mit einer verwirrenden Vielfalt von Definitionen und Ansätzen verschiedener Kulturwissenschaften konfrontiert. Bereits 1926 stellte der Anthropologe Bronislaw Malinowski angesichts der kaum zu überschauenden Zugangsweisen fest:

„Die Mythosforschung ist zum Berührungspunkt mannigfaltiger Zweige der Gelehrsamkeit geworden: […] Historiker und Soziologe, Literaturwissenschaftler und Grammatiker, Germanist und Romanist, Keltenforscher und Slawist, sie alle reden darüber, je unter sich. Auch vor Logikern und Psychologen, vor Metaphysikern und Epistemologen ist die Mythologie nicht sicher – um von den Gästen ganz zu schweigen, den Theosophen, den heutigen Astrologen oder den Szientisten. Schließlich ist noch die Psychoanalyse hinzugekommen, uns beizubringen, dass der Mythos ein Tagtraum der Menschheit sei […]. Als sich zu guter Letzt der arme Anthropologe und Volkskundler dem Fest anschloss, war kaum ein Krümel für ihn übrig. Wenn ich einen Eindruck von Chaos und Konfusion vermittelt, wenn ich angesichts der unglaublichen Mythologie-Debatte und all dem Staub, den sie aufgewirbelt hat, Beklommenheitsgefühle hervorgerufen habe, so habe ich erreicht was ich wollte."[2]

Vor diesem Hintergrund kann es in diesem Artikel nicht darum gehen, zu bestimmen, was „Mythos an sich" ist. Vielmehr soll aus unterschiedlichen theoretischen Ansätzen der Kulturwissenschaften eine für Zeithistoriker/innen verwendbare Definition generiert werden.[3] Daraufhin werden die verschiedenen gesellschaftlich-politischen Funktionen von Mythen behandelt. Im nächsten Schritt werden wir nach den Spezifika zeitgeschichtlicher Mythen fragen und untersuchen, in welchen Bezügen diese zu Phänomenen wie Nation, Ideologie, Personenkult und Demokratie stehen.

Theoretische Ansätze

Die moderne Mythosforschung begann mit der soziologischen Erfassung des Religiösen.[4] Es war der französische Soziologe Émile Durkheim, der dazu in „Les formes élémentaires de la vie religieuse" (1912) die Grundlagen schuf.[5] Bis dahin hatte die Entgegensetzung von Mythos und Logos, von irrationalem Fühlen und rationalem Denken die Deutung religiöser Mythologien bestimmt. Durkheim untersuchte die Religionen indigener Völker Australiens; und anders als zeitgenössische Autoren ging er dabei nicht von einem evolutionistischen Paradigma aus, das diese schriftlosen Kulturen auf eine niedrige Stufe menschlicher Zivilisation einordnete. Für Durkheim hatten die Eingeborenen Australiens komplette religiöse Systeme erschaffen, die sich in ihren Funktionen in nichts von den großen Weltreligionen unterschieden. Als Kernelement des Religiösen erkannte er die Unterscheidung zwischen zwei absolut getrennten Sphären: dem Heiligen und dem Profanen, dem Außeralltäglichen und dem Alltäglichen. Glaubensüberzeugungen, Riten und Mythen handeln von den heiligen Dingen. Die soziale Funktion des Religiösen – und damit auch der Mythen – ist für Durkheim fundamental: Die gesamte Gesellschaftsordnung beruht auf der Religion, während andersherum die „Idee der Gesellschaft die Seele der Religion" ist. In der säkularisierten Moderne ersetzt die Gesellschaft in den kollektiven Vorstellungen der Menschen die Religion: Sie glauben an die soziale Ordnung; sie errichten Institutionen und Riten, um diese zu stabilisieren. So antizipierte Durkheim bereits das von Robert Bellah geprägte Konzept der Zivilreligion: die Neigung von Gesellschaften, über sich einen „heiligen Baldachin" von Glaubenswahrheiten und Mythen zu errichten, welche die sozialen Regeln legitimieren.[6]

Aus der Perspektive der Anthropologie haben Bronislaw Malinowski und Claude Lévi-Strauss diese Grundannahmen weiterentwickelt. Das Mythosproblem stand im Mittelpunkt ihrer Studien über indigene Völker. Malinowski vertrat die Auffassung, dass Mythen in schriftlosen Kulturen nicht etwa lediglich zur Unterhaltung oder Erbauung dienten, sondern eine höchst wichtige gesellschaftliche Funktion erfüllten: Indem diese nämlich soziale und politische Normen sanktionierten, den Glauben festigten und moralische Gesetze in ihrer Wirksamkeit stärkten, bildeten sie, so Malinowski, ein „Lebenselement der Zivilisation", eine „pragmatische Charta" des sozial verbindlichen Wissens.[7] Auf diese Weise befreite Malinowski den Mythosbegriff von Aspekten des Irrationalen, Obskuren, Geheimnisvollen und machte dagegen die gesellschaftlich stabilisierende und integrierende Funktion von Mythen sichtbar.

Für Claude Lévi-Strauss steht, wie der Name der von ihm repräsentierten Forschungsrichtung des „Strukturalismus" andeutet, die Struktur von Mythen im Vordergrund: Sie weisen nach seiner Auffassung in verschiedensten geografischen Räumen, Kulturen und Zeiten gemeinsame Strukturelemente auf, die er „Mytheme" nennt. Diese Grundbausteine werden, so seine Theorie, jeweils zu sinnbildenden Erzählungen – Mythen – kombiniert. Das zentrale Merkmal der mythischen Erzählweise ist, dass sie die fundamentalen Dualismen und Widersprüche, die den menschlichen Kosmos bestimmen, thematisiert: Gut und Böse, Himmel und Erde, Eigenes und Fremdes, Jugend und Alter. Zentral für die von Lévi-Strauss besonders untersuchten Mythologien der amerikanischen Indianer etwa ist der Gegensatz von Natur und Kultur, der in immer wieder unterschiedlichen Versionen thematisiert wird. Das mythische Erzählen macht diesen Gegensatz verständlich und versucht, Vermittlungen und Übergänge zwischen den beiden Antipoden plausibel zu machen.[8]

Die Theorien von Malinowski und Lévi-Strauss betonen in jeweils unterschiedlicher Akzentuierung die eminente Kulturbedeutung von Mythen für die Gesellschaften, in denen sie wirksam sind. Eine Übertragung dieser Theorien auf die Geschichtswissenschaft wird allerdings dadurch erschwert, dass sie anhand eines Materials – den mündlich tradierten Erzählungen indigener Völker – entwickelt sind, das nicht den primären Untersuchungsgegenstand des Historikers bildet. Zudem betonen sie eher überzeitliche und interkulturelle Gemeinsamkeiten, als dass sie das jeweils Besondere, Einzigartige und Zeitgebundene kultureller Entwicklungen und Erzeugnisse herausstellten.

Aus der Perspektive der Religionswissenschaft hat Mircea Eliade ebenso interessante Perspektiven eingebracht: Er sieht das entscheidende Merkmal mythischer Erzählungen darin, dass sie „heilige Geschichten" berichten. Damit meint er in erster Linie solche Erzählungen, die die Entstehung des Kosmos, die Erschaffung des Menschen, Kämpfe zwischen antagonistischen überirdischen Kräften u.a. thematisieren. Gleichzeitig schließt er in seine Definition aber auch die Ebene menschlicher Geschichte ein: Erzählungen nämlich, die innerhalb einer bestimmten Kultur von der Vielzahl „profaner" Geschichten getrennt und auf eine besondere, überzeitliche Ebene gehoben werden. Diese Mythen erzählen, wie eine bestimmte menschliche Kulturgesellschaft entstanden ist, wie sie sich an den entscheidenden Schnittpunkten ihrer Entwicklung bewährte und welchen Ursprung die von ihr für wesentlich erachteten, kollektiv anerkannten Werte hatten. Da diese Erzählungen die existenziellen Grundbestandteile eines kulturellen Kontextes berühren, wird ihre Wahrheit innerhalb dieses Kontextes nicht angezweifelt. Solche Mythen sind, so Eliade, ihrem unmittelbaren menschlich-zeitgebundenen Zusammenhang enthoben worden und gehören einer unantastbaren, heiligen Ebene zu.[9]

Auf dem Gebiet der Psychoanalyse hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Schweizer Analytiker Carl Gustav Jung viel diskutierte Beiträge zur Mythosforschung erbracht. Er behauptete, dass Mythen die gleiche Tiefenstruktur besäßen wie Träume – dass in ihnen nämlich die Urbilder des kollektiven Unbewussten, die sogenannten Archetypen an die Oberfläche kämen. Auf diese Weise versuchte Jung zu erklären, warum sich die Mythen verschiedenster Kulturen in ihren Leitmotiven so verblüffend gleichen: Sie basieren auf der allen Menschen gemeinsamen Bildstruktur des Unbewussten.[10]

Diese zunächst höchst spekulativ anmutende Theorie hat Joseph Campbell in seiner berühmten Studie „The Hero with a Thousand Faces" angewandt.[11] Campbell zeigt, wie sich ein im Jung'schen Sinne archetypischer Mythos in den verschiedensten Kulturkreisen zu verschiedensten Zeiten manifestiert. Es handelt sich dabei um den Heldenmythos, dessen Grundbestandteile folgendermaßen aussehen: Der Held wird durch ein besonderes Ereignis aus seiner vertrauten Umwelt gestoßen, muss seine Heimat verlassen und in neuer Umgebung Einsamkeit und harte Prüfungen erdulden, kehrt schließlich aber gestärkt und innerlich erneuert als gefeierter Held in die Heimat zurück. Diese archetypische Grundstruktur lässt sich bis zu modernen politischen Heldenmythen, die sich um Leitfiguren wie etwa Charles de Gaulle oder Nelson Mandela gebildet haben, weiterverfolgen. Problematisch aber bleibt für die geschichtswissenschaftliche Anwendung die zugrunde liegende psychoanalytische Theorie, die von unwandelbaren Grundelementen der menschlichen Seele ausgeht. Der Akzent liegt – wie schon bei dem Strukturalisten Lévi-Strauss – auf dem Überzeitlichen und Kulturübergreifenden, nicht jedoch auf dem zeitlich und kulturell Wandelbaren. Gerade diese Dimension aber ist für Historiker von besonderer Wichtigkeit, wenn sie den Mythosbegriff für ihre Bedürfnisse verwendbar machen wollen.

Die Funktion von Mythen in historischer Perspektive

Aufbauend auf die skizzierten theoretischen Ansätze wollen wir den Begriff folgendermaßen definieren: Mythos bezieht sich auf gemeinsam erlebte und durch herausragende Individuen geprägte Geschichte, die auf eine besondere Weise präsentiert wird. Die Geschichte wird im Prozess ihrer Mythologisierung aus ihrem unmittelbaren zeitgebundenen Kontext herausgelöst und auf eine überzeitliche Ebene gehoben; ihre Protagonisten werden mit transzendentalen Attributen versehen. Charakteristisch für mythologisierte Geschichten ist, dass sie sich zumeist in zentrale, sinnlich erfahrbare Symbole und Rituale verdichten lassen, die den gesamten Komplex des durch den Mythos Auszudrückenden wachrufen. Es ist im übrigen für den Prozess der Mythenbildung unerheblich, ob ihr Material weit zurückliegende, bereits traditionell verortete Geschichten sind oder ob sie die allerjüngste Vergangenheit betrifft. Entscheidend für eine mythisch erzählte Geschichte ist, dass sie nicht durch rationale oder empirische Beweise zu überzeugen sucht, sondern an die Emotionen der Menschen appelliert und unter ihnen den Glauben an die Wahrheit des Erzählten erwecken will. Für die Geschichtswissenschaft stehen die politisch-sozialen Funktionen von Mythen im Mittelpunkt des Interesses, während andere Kulturwissenschaften sich auf ihre Erzählstruktur, auf ihre Bildersprache und ihre Medialität konzentrieren.

Viele Theoretiker haben die Funktionen von Mythen einseitig betrachtet. Für die einen dienten sie revolutionären Zwecken, während andere sie als ein Mittel der Bourgeoisie ansahen, ihre Hegemonie zu erhalten. Die anthropologische Theorie sah in Mythen ein Instrument, die herrschenden Normen zu sanktionieren, und berücksichtigte nicht, dass sie gegenüber bestehenden Ordnungen auch subversiv wirken können. Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, die Zwecke, denen Mythen dienen können, möglichst breit und wertfrei zu bestimmen. Sie dienen, dies ist ihre kardinale Funktion, der Integration menschlicher Gemeinschaften – seien es Nationen, ethnisch-kulturelle Gruppen, politische Bewegungen, soziale Klassen und Milieus. Durch die besondere Präsentation vorbildhafter Figuren sowie die sinnstiftende Deutung von Vergangenheit und Gegenwart sollen Mythen für ein Kollektiv identitätsbildend wirken. Gleichermaßen können Mythen erklärende, tröstende oder kompensatorische Funktionen erfüllen. Denn die mythische Präsentation historisch-politischer Prozesse und Phänomene reduziert deren Komplexität und soll sie so verständlicher machen. Gleichermaßen kann die Geschichts- und Gegenwartsdeutung des Mythos mobilisierend für die Zukunft wirken, indem sie an beispielgebende Figuren oder Epochen appelliert.[12]

Insofern sind die Funktionen von Mythen im Handlungsfeld der symbolischen Politik anzusiedeln. Damit ist nicht etwa eine Schein-Politik gemeint, die „wirkliches", sachbezogenes politisches Handeln ersetzen soll. Vielmehr bezeichnet der Begriff das politische Handeln mit und die Auseinandersetzung um Symbole. Innerhalb einer Gesellschaft entstehen stets Machtkonflikte darüber, wer das Recht hat, Begriffen, Zeichen und Erinnerungen eine verbindliche Bedeutung zuzuweisen. Wer symbolische Politik betreibt, will in den Worten Pierre Bourdieus „symbolisches Kapital" erwerben, will die gültige Interpretation von Mythen, Symbolen und Geschichte für sich monopolisieren. Wer nun über „symbolisches Kapital" verfügt, kann die Wahrnehmung der Realität beeinflussen, gesellschaftliche Sinnbedürfnisse befriedigen und solchermaßen auf die Lösung grundlegender politisch-sozialer Ordnungsprobleme Einfluss nehmen.[13] Somit erfüllen Mythen eine Schlüsselrolle bei dem Erwerb, der Legitimierung und Stabilisierung politischer Autorität. Von ihrem Wesen her berühren Mythen das Existenzielle der Gesellschaften, aus denen sie stammen und für die sie gedacht sind. Hierin, in ihrem bewusstseinsprägenden und handlungsleitenden Anspruch liegt ihre Faszination und potenzielle Gefahr.

Zur Spezifik zeitgeschichtlicher Mythen

Zu jeder Zeit brauchen die Menschen einer Gesellschaft Geschichten, die sie aus der Alltäglichkeit herausheben, von ihren Ursprüngen erzählen, den Zusammenhalt stabilisieren und zu neuen kollektiven Taten anspornen. Insofern gibt es wohl kaum eine „mythenfreie" Gesellschaft; und die Entstehung neuer Mythen kann zu keinem Zeitpunkt ausgeschlossen werden. Es stellen sich somit die Fragen, inwiefern sie ihre Funktionen kontinuierlich über alle Epochen entfalten und wie stark sie unter spezifischen historischen Konstellationen ihre Gestalt verändern. Inwieweit haben die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts das Phänomen des Mythos geprägt? Gibt es spezifisch zeitgeschichtliche Mythen? Welchen Einfluss haben technologische Entwicklungen, insbesondere bei den Kommunikationsmitteln, auf die Mythenproduktion?

Dazu ist zunächst Folgendes festzuhalten: Das 20. Jahrhundert als eine Ära der Katastrophenerfahrungen, der extremen Ideologien, vielfacher Staatszusammenbrüche und -neugründungen war eine Hoch-Zeit der Mythenproduktion: Denn in Krisen- und Umbruchsphasen ist der Drang nach politischer Mobilisierung, das Bedürfnis nach Verstehen, Trost und Sinngebung besonders dringlich, und die Auseinandersetzungen um politische Autorität sind oft besonders heftig. Gleichermaßen bedürfen neu etablierte politische Ordnungen der Legitimation, die sie vielfach auf dem Wege symbolischer Politik zu erringen suchen.

Des Weiteren wird im 20. Jahrhundert die moderne Technologie zum Gegenstand und Instrument des Mythos. Bereits in der Frühphase der Industrialisierung hatte etwa die Eisenbahn die Menschen in Bewunderung und Angst versetzt. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert rückt der technologische Fortschritt in das Zentrum der menschlichen Imagination: Beispielhaft sind hier die Reflexionen des amerikanischen Intellektuellen Henry Adams, der anlässlich der Weltausstellung 1900 den Elektromotor mit der Jungfrau Maria verglich. So wie der Marienkult als einheitsstiftender Mythos die europäische Kultur des Mittelalters beseelt habe, würde – laut Adams – die Maschine die Inspirationsquelle und mobilisierende Kraft des 20. Jahrhunderts sein.[14] Der Glaube an die allumfassende Wirkungsmacht der Technik, die Machbarkeit jedweder Prozesse und die Verehrung industrieller Produkte wird so zu einer sinnbildenden, in zahllose einzelne Erzählungen deklinierbare Mythologie der Moderne. Sie hat ihre eigenen, transnational verehrten Helden und Heldinnen (darunter Charles Lindbergh, Marie Curie, Albert Einstein, Juri Gagarin) ebenso wie ihren vom Weltuntergang kündenden Gegenmythos hervorgebracht.

Gleichermaßen haben die Informationstechnologien des 20. und 21. Jahrhunderts die Entstehungs- und Funktionsweisen von Mythen verändert. Diese erwachsen stets aus einem kommunikativen Prozess, in dem es auf der einen Seite Produzent/innen und auf der anderen Rezipient/innen gibt. Politiker/innen, Schriftsteller/innen, Journalist/innen, Maler/innen und Musiker/innen, aber auch Historiker/innen gehören traditionell zu ihren wichtigsten Produzenten. Die Empfängerseite reagiert auf das „Angebot" einer Mythenproduktion äußerst kreativ, indem sie in die idealisierte Mythen-Figur alle nur denkbaren Sehnsüchte und Wünsche projiziert.[15] Solchermaßen perpetuieren die Rezipient/innen den Mythos, indem sie in ihn „einsteigen", ihn fort- und umschreiben; worauf wiederum die Produzent/innen antworten. Dieser Kommunikationsprozess ist durch die Medien des 20. Jahrhunderts enorm beschleunigt worden. Zum einen sind die Adressaten eines Mythos umgehend und über eine Vielzahl von Kommunikationsmitteln erreichbar; andererseits ist die Reaktion der Empfängerseite in einer früher ungekannten Geschwindigkeit vermittel- und abrufbar.

Ebenso haben sich die Medien, mit denen Mythen vermittelt werden, verändert: Diese konnten und können Literatur, Reden und Zeitungen sein, aber auch Denkmäler, Grabstätten, Gemälde, Karikaturen, Fotografien und Filme. Moderne Medien wie Radio, Fernsehen und Internet verändern die interpersonale Dynamik von Mythen und prägen ihre Inhalte.[16] So ist das Radio ein konstitutives Medium der großen politischen Mythen des frühen 20. Jahrhunderts, das die Heldenfiguren zu täglichen Gästen im eigenen Wohnzimmer machte. Während der Kriegszeit etwa wurde in der französischen Imagination der exilierte Widerstandsführer de Gaulle mit seinem zentralen Medium eins: Er war eine für viele Franzosen „gesichtslose" Stimme der Hoffnung, die aus dem Radio ertönte. Seit seinem Amtsantritt als Präsident 1958 nutzte er das damalige Leitmedium Fernsehen, um einen „Dialog" mit jedem einzelnen Staatsbürger zu inszenieren, den er um seine Unterstützung bat.

Im modernen Medienzeitalter, so argumentierte 1957 der Literaturkritiker Roland Barthes, kann schlechthin alles zum Mythos werden. Man kann nicht substanziell zwischen mythischen und nicht-mythischen Phänomenen unterscheiden. Ausschlaggebend ist die sprachliche oder symbolische Form, in der diese präsentiert werden: „Der Mythos definiert sich nicht durch den Gegenstand seiner Botschaft, sondern durch die Art und Weise, in der er diese vorbringt."[17] In seinen Essays zeigt Barthes, wie in der modernen Mediengesellschaft verschiedenste Objekte des Alltags, Persönlichkeiten und Zeremonien semiotisch „aufgeladen" und somit mythisiert werden. Für ihn muss die Mythologisierung entlarvt werden, denn sie dient stets den ideologischen Interessen gesellschaftlicher Akteure. Die kommunikative Unmittelbarkeit des Informationszeitalters führt wiederum zu neuartigen interpersonalen Prozessen, welche die Entstehungsweisen von Mythen grundsätzlich verändern. Darauf werden wir an anderer Stelle zurückkommen. Fragen wir zunächst danach, wie sich die wesentlichen Erscheinungsformen des Mythos in der Zeitgeschichte wandeln.

Mythos und Nation

Wenn Nationen – mit Benedict Anderson gesprochen – „eingebildete" oder „vorgestellte" Gemeinschaften sind, dann gehören Mythen elementar zum Prozess der Nationalisierung.[18] Denn die auf besondere Weise präsentierten Geschichten, die von gemeinsamen Ursprüngen, Leiden, Errungenschaften und Helden handeln, sollen breit verstreute Individuen, die ihre Gemeinsamkeit physisch nie erleben, vereinen. Im 19. Jahrhundert als der Epoche des Nationalismus entstanden daher vielerorts festgefügte Nationalmythen, die historisch bereits gut erforscht sind. Zentral für den deutschen Nationalmythos sind etwa der Germane Arminius und die Varusschlacht, für den französischen ist es die „Große Revolution", für den amerikanischen die als Erfüllung einer göttlichen Mission empfundene Landgewinnung.[19]

Im 20. Jahrhundert kommt es zur Radikalisierung des Nationalismus und damit auch zur Ausprägung extremer Mythologien, die von der Erwähltheit des eigenen Volkes künden und eine absolute Dissoziation des Anderen vornehmen. Zahlreiche deutsche Geschichtsmythen wie etwa der Arminius-Kult waren so stark durch ihren Missbrauch im Nationalsozialismus kontaminiert, dass sie in der Bundesrepublik nicht mehr aktualisiert wurden. Doch auch andere Nationen mussten ihre Gründungsmythen revidieren und umschreiben. So erwies sich der Frontier-Mythos, der die Eroberung eines „freien" Landes durch weiße Männer angelsächsischer Herkunft feierte, als nicht mehr zeitgemäß für eine Nation, die sich als multikulturelle, urbane Gesellschaft mit modernen Geschlechterrollen versteht.[20] Als weitgehend resistent gegen Revisionsversuche erweist sich dagegen der französische Nationalmythos einer aus der Revolution geborenen egalitären und einheitlichen Republik, der auch noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine von zunehmender Diversität gekennzeichnete Gesellschaft vereinen soll.[21]

Zudem kamen im 20. Jahrhundert neue Nationalmythen dazu: So ist die Dolchstoßlegende das Musterbeispiel einer mythischen Erzählung, welche die Komplexität eines historischen Prozesses reduzieren, Schuldige identifizieren und eine Niederlage kompensieren soll.[22] Auch die Gebietsverluste in der Nachfolge des Ersten Weltkriegs waren der Anlass zu kollektiver Trauer, aus der identitätsstiftende, bis heute lebendige Mythen wurden. Beispielhaft hierfür ist der ungarische Trianon-Mythos, der Erinnerungen an ein untergegangenes „Goldenes Zeitalter" wachrufen sollte, die Demütigung des Friedensvertrags einer „Verschwörung" zuschrieb und die Hoffnung auf Wiederauferstehen und Revision ausdrückte.[23]

Die Entkolonialisierung bildete einen Schnittpunkt neuer Mythenproduktion, mussten sich doch zahlreiche neu geschaffene Staaten, die vielfach keine ethnische oder kulturelle Homogenität aufwiesen, legitimieren und stabilisieren.[24] Dies geschah, indem man fern zurückliegende Epochen der Eigenständigkeit wiederentdeckte, aber auch, indem man die Protagonisten der Unabhängigkeitsbewegungen heroisierte. Gleichermaßen läutete der Zusammenbruch der sozialistischen Staaten Mittel- und Osteuropas eine Phase ein, in der man Nationalmythen neu schuf bzw. wiederbelebte, um die Unabhängigkeit, die Sezession und Abgrenzung von Nachbarn, aber auch das Streben nach Expansion zu legitimieren. Slobodan Milosevics „Kosovo Polje"-Rede von 1989 ist dafür nur das berüchtigtste Beispiel. Im benachbarten Mazedonien etwa versuchen heute wichtige politische Akteure, über einen seltsam anmutenden Geschichtsmythos die junge Republik zu legitimieren: Sie stünde in der Tradition des antiken, von Alexander dem Großen einst regierten Mazedonien.

Mythos und Ideologie

Welcher Zusammenhang besteht zwischen Ideologie und Mythos? Ideologien wollen zumeist nicht nur durch Argumente für ihre politischen Leitvorstellungen werben, sondern auch über Emotionen Gefolgschaft erzeugen. Aus diesem Grunde bedienen sie sich Mythen, die den Gehalt der Ideologie in eine fesselnde Erzählung kleiden. Mythen können somit dazu dienen, Ideologien zu legitimieren; gleichermaßen können sie für deren politische Ziele mobilisieren. Der Sturm auf die Bastille oder der Ballhausschwur etwa sind Mythen, die der Doktrin der Volkssouveränität eine narrative Gestalt verleihen.

In den ideologisierten Massenbewegungen des 20. Jahrhunderts gewinnt diese Beziehung erhöhte Bedeutung: Denn Weltanschauungen wie der Kommunismus oder der Nationalsozialismus nahmen – wie Eric Voegelin es ausdrückt – eine „Immanentisierung des Eschatons" vor:[25] Sie holten die „letzten Dinge ins Diesseits" hinein und versuchten, der Geschichte einen Sinn zu geben, indem sie ihre Finalität bestimmten.[26] In diesem Sinne schrieb Georges Sorel in seinen „Réflexions sur la violence" (1908) über die Rolle von Mythen in der kollektiven Vorstellungswelt von Massenbewegungen: „Menschen, die an großen sozialen Bewegungen teilnehmen, stellen sich ihr künftiges Handeln in Bildern von Schlachten vor, in denen sie den Triumph ihrer Sache erringen. Ich schlage vor, solche Vorstellungen, die für den Historiker von großer Bedeutung sind, als Mythen zu bezeichnen: Der Generalstreik der Syndikalisten und die Endrevolution von Marx sind Mythen."[27]

Der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg nannte sein Hauptwerk „Der Mythos des 20. Jahrhunderts" und erklärte darin den Sieg der „arischen Rasse" zum Ziel der Weltgeschichte. So geriet der Mythosbegriff in das Fahrwasser der radikalen antiliberalen Bewegungen des frühen 20. Jahrhunderts: Denn Mythos kann auch verstanden werden als eine die Massen begeisternde, ja verführende Vorstellung, die zu revolutionärer Gewalt anstiftet. Gleichzeitig war damit die Frage aufgeworfen, ob Mythen in den modernen, rational legitimierten Demokratien noch einen Platz haben sollten bzw. benötigt werden. Darauf werden wir später zurückkommen.

Mythos und Personenkult

Für Max Weber konnte aus dem Glauben der Bevölkerung an das „Charisma" einer Führerfigur eine legitime Herrschaftsform erwachsen. Sie entsteht, wenn Menschen von den „außeralltäglichen", magischen Fähigkeiten einer Person überzeugt sind und sich ihr wie Jünger unterordnen. Die Herrschaft gründet sich nicht auf gesatzte Ordnung oder verwurzelte Tradition, sondern auf die Hingabe an eine außerordentliche Persönlichkeit.[28] Allerdings, so Weber, muss sich das Charisma immer wieder bewähren, durch „Wunder, Erfolge, Wohlergehen der Gefolgschaft oder der Untertanen".[29] Was Weber als „Charismatisierung" kennzeichnet, lässt sich auch als Mythologisierung beschreiben: Eine Person wird auf besondere Weise präsentiert, mit transzendentalen Attributen (Messias, Retter, Prophet) versehen und auf eine überzeitliche Ebene gehoben. Der Personenkult ist die wohl kennzeichnendste Erscheinungsform des politischen Mythos im 20. Jahrhundert. Die meisten autoritären Systeme des 20. Jahrhunderts haben ihre Führerfiguren mythologisiert und auf diese Weise die Gefolgschaft der Bevölkerung sicherzustellen gesucht. So sind Lenin, Stalin, Hitler, Mussolini, Tito und Mao nur die berühmtesten Beispiele charismatisierter Führerfiguren.[30]

Oft geben charismatische Herrscher vor, eine bereits mythologisierte oder heiligengleiche Figur wiederzubeleben. Diese Aneignung einer „geheiligten" Geschichte dient der eigenen Legitimation. So schreibt Thomas Mann über Napoleons „mythische Identifikation": „[…] als er sich fürs Abendland entschieden hatte, erklärte er: ‚Ich bin Karl der Große.' Wohl gemerkt – nicht etwa: ‚Ich erinnere an ihn'; nicht: ‚Meine Stellung ist der seinen ähnlich'. Auch nicht: ‚Ich bin wie er'; sondern einfach: ‚Ich bin's.' Das ist die Formel des Mythos."[31] Auf ähnliche Weise präsentierte sich Charles de Gaulle während des Zweiten Weltkriegs mal als die Wiedergeburt der Jeanne d'Arc, mal als die Reinkarnation Georges Clemenceaus. Auch die Imagination der Regierten vollzieht solche Identifikationen und lässt neue Heldengestalten als die Wiederbelebung verehrter Figuren erscheinen. So entdeckt die amerikanische Öffentlichkeit periodisch in jungen, charismatischen Politikern den herbeigesehnten „neuen Kennedy".

Personenmythen sind somit nicht auf autoritäre, diktatorische Systeme beschränkt: Auch in modernen, rational legitimierten Republiken wurden Führerfiguren charismatisiert und der Zeitlichkeit enthoben. Das aussagekräftigste Beispiel für einen Personenmythos in einer modernen, (mittlerweile) demokratischen Republik bietet die Türkei: Hier verbindet sich die Mythologie um den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk mit einem umfassenden Nationalmythos. Dieser erzählt von der Niederlage im Ersten Weltkrieg; der traumatischen Demütigung von Sèvres, als die Großmächte das Land zerstückeln und entmachten wollten, schließlich vom Unabhängigkeitskrieg und der Wiederauferstehung in Form des neuen, starken Staates. Die laizistische Republik, welche den Islam aus dem öffentlichen Raum verbannen wollte, schaffte sich eine Zivilreligion, deren Schöpfer und Fluchtpunkt Atatürk ist: Er ist Gegenstand einer populären Verehrung, die in einer modernen Demokratie ihresgleichen sucht. Der Staatsgründer gehört zu den Unsterblichen, der durch seine optische Ubiquität nicht nur Teil des Alltags ist, sondern auch immer wieder zu Rate gezogen wird, wenn es ein schwieriges Problem zu entscheiden gilt oder die Republik sich an ihre Grundwerte erinnern möchte. Hierin ist der Atatürk-Kult typisch für einen Personenmythos, der dem Helden das normale Los des Menschen ersparen will: Nicht nur Atatürk, sondern auch Figuren wie der isländische „Vater der Nation" Jón Sigurdsson und der Gründer der V. Republik Charles de Gaulle leben durch ihren Mythos fort und begleiten so das politische Leben.[32] Gleichzeitig wiederum inszenieren Politiker sich als deren legitime Nachfolger oder als Reinkarnation.

Im Zeitalter des Internets haben sich die Entstehungsbedingungen des Charisma verändert: Einst wurde Charisma durch Distanz und Unerreichbarkeit erzeugt. Der Glaube an Außeralltäglichkeit sollte entstehen, indem eine Figur der Alltagswelt enthoben wurde. Eine mythologisierte Gestalt lebte auf einer höheren Ebene und begab sich nur zu ausgewählten Anlässen unter die normal Sterblichen. Medien wie Radio und Fernsehen gaben dieser Ferne zwar eine neue Form, hoben sie jedoch nicht grundsätzlich auf: Der verehrte Held konnte zwar so ins eigene Heim geholt werden, blieb jedoch vom Nimbus der Unerreichbarkeit umgeben, zumal Fernseh- und Rundfunkauftritte sorgfältig ausgewählt wurden. Erst das Internet schafft die Möglichkeit zur unmittelbaren und ständigen Kommunikation mit einer unbegrenzten Zahl von Menschen. Charisma scheint so nicht mehr durch Ferne, sondern durch (virtuelle) Nähe zu entstehen, die durch eine totale, grenzenlose Kommunikation erzeugt wird. Die ca. zehn Millionen Menschen, die Barack Obama derzeit auf Online-Plattformen wie Facebook und Twitter oder auf seinem Blog „folgen", werden annähernd stündlich mit neuen Geschichten über den Helden versorgt.

Mythos und Demokratie

Damit ist zu unserer letzten Fragestellung übergeleitet: dem Verhältnis zwischen politischen Mythen und moderner Demokratie. Haben Mythen durch die Rationalisierung der Politik, die Entzauberung der Welt und die weltweite Verbreitung der Demokratie an Bedeutung verloren? Gewährleistet die demokratische Legitimation politischer Macht eine mythenfreie Politik? Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Durch die Zurückdrängung des Religiösen aus dem öffentlichen Raum und die Rationalisierung des Politischen haben Menschen nicht das Bedürfnis verloren, an etwas zu glauben.[33] Und menschliche Gesellschaften suchen weiterhin nach identitätsstiftenden Erzählungen und vorbildgebenden Helden. Vor diesem Hintergrund bietet die moderne Demokratie einen geeigneten Nährboden für die Produktion neuer Mythen. Dank des demokratischen Pluralismus werden zudem aus verwirrend vielfältigen Gestalten und Phänomenen neue Mythen produziert. Das beste Beispiel dafür liefern die Vereinigten Staaten, die einen ungewöhnlichen Reichtum an Mythen hervorgebracht haben: Amerika hat seine großen Präsidenten (Washington, Lincoln, Kennedy) mythologisiert ebenso wie seine Unternehmerpersönlichkeiten (Henry Ford); der agrarische „Garten" des Kontinents wurde Gegenstand eines Mythos ebenso wie große Errungenschaften der Moderne – die Eisenbahnen, die Brooklyn Bridge, die erste Mondfahrt. Man mythologisierte die südstaatliche Plantage ebenso wie die tragischen Helden der Bürgerrechtsbewegung. Einwanderer, die sich vom „Tellerwäscher bis zum Millionär" hocharbeiteten, fanden Eingang in die amerikanische Mythologie ebenso wie notorische Verbrecher (Al Capone). Dank der äußerst produktiven interdisziplinären Forschungsrichtung der „American Studies" sind diese Mythen heute gut erforscht.[34] Auch die Bundesrepublik, die lange Zeit als das Musterbild einer rational legitimierten „postnationalen" Demokratie galt, hat ihre Mythen geschaffen: vom Warschauer Kniefall Willy Brandts bis hin zu Helmut Schmidt, dem man in hohem Alter die Rolle eines „Praeceptor Germaniae" zugewiesen hat.

Dagegen hat der europäische Integrationsprozess, der in den 1950er-Jahren als bewusst technokratisch konzipiertes Projekt begann, bis heute keine politischen Mythen produziert. Es stellt sich die Frage, ob ein Gemeinwesen wie die EU dauerhaften Rückhalt in der Bevölkerung gewinnen kann, wenn es ihm an sinn- und identitätsbildenden Geschichten ermangelt. So stellt Wolfgang Schmale die Frage: „Scheitert Europa an seinem Mythendefizit?" und verweist darauf, dass es kaum europäische Mythen gibt, welche die Grenzen des Nationalstaats überschreiten und vom Zusammenwachsen eines Kontinents erzählen.[35] Auch die Brüsseler Akteure haben den Mangel an europäischer Identität erkannt, der sich in Umfragen, negativ ausfallenden Referenda und Enthaltung bei Wahlen zum Europäischen Parlament ausdrückt. Doch ist es nicht leicht, Abhilfe zu schaffen. Denn einerseits fällt es 27 Mitgliedsstaaten schwer, sich auf gemeinsame Symbole zu einigen. Andererseits eignen sich die Schlaglichter des Integrationsprozesses kaum zur Mythologisierung, ebenso wie sich die Säulenheiligen der EU schlecht charismatisieren lassen. So entspricht die Rolle, die Jean Monnet im europäischen Geschichtsbewusstsein spielt, zwar noch immer nicht seiner überragenden Bedeutung für die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Doch wird es einem schwer fallen, die Biografie dieses stets im Hintergrund agierenden „Networkers" zu einem Heldenmythos aufzuladen.

Ausblick: Transnationale Mythen?

Die Globalisierung wird oft als ein Prozess der Entnationalisierung, der Entmachtung des Nationalstaats zugunsten internationaler, globaler Akteure gekennzeichnet. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich damit auch der Rahmen der Mythenproduktion erweitert und vermehrt transnationale Mythen erschaffen werden. Dazu ist zunächst Folgendes zu bemerken: Immer schon gab es Mythen, die in einem größeren kulturellen oder politischen Ensemble Geltung erlangten. So wurde etwa vom Napoleon-Mythos bei weitem nicht nur der französische Nationalstaat, sondern ganz Europa ergriffen. Im 20. Jahrhundert konstruierte die kommunistische Bewegung mit ihrem universalistischen Anspruch ihre transnationalen Personenmythen und Erinnerungsorte, von denen die Schlacht von Stalingrad der berühmteste, bis weit nach Westeuropa wirkende Mythos war. Der weltweite Dekolonialisierungsprozess erschuf sich in Gestalt der „Dritten Welt" einen globalen, mobilisierenden Mythos, der über vereinigende Schlüsselereignisse wie die Bandung-Konferenz 1955, einen gemeinsamen Diskurs und glorifizierte Befreiungshelden verfügte.[36] Das Jahr 1968 gerinnt in der kollektiven Erinnerung zum Mythos einer Generation, die in den wichtigen westlichen Industrieländern die bestehende Ordnung herausforderte.[37] Doch ist es erst das Zeitalter der elektronischen Kommunikation, das eine globale Medienöffentlichkeit garantiert und damit das rasche Entstehen transnationaler Mythen ermöglicht. So ist der Personenkult um Obama zwar nationalen Ursprungs, doch verbreitete er sich in ungeheurer Geschwindigkeit um den gesamten Globus.

Transnationale Narrative wie das „Ende der Geschichte" oder der „Kampf der Kulturen" sollen der sich seit 1989 herausbildenden neuen Weltordnung einen Sinn verleihen.[38] Gleichzeitig aber erzeugt die Globalisierung Gegenbewegungen seitens des Nationalstaats und seiner Regionen, die angesichts solch relativierender Tendenzen die kulturelle und politische Eigenständigkeit hochhalten: So ist es nur auf den ersten Blick paradox, dass in Frankreich im Jahr des Inkrafttretens des Lissabon-Vertrags und einer globalen Wirtschaftskrise staatlicherseits eine „Debatte über die nationale Identität" ausgerufen wird und der „Stolz, Franzose zu sein" wiedergefunden werden soll.[39] Die aus der Globalisierungsforschung bekannte Doppelbewegung von der Homogenisierung des Disparaten auf der einen, der Vervielfältigung von Differenz auf der anderen Seite wird wohl auch die Produktion und Rezeption der Mythen der Zukunft prägen.

Empfohlene Literatur zum Thema

Yves Bizeul, Glaube und Politik, VS Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-16864-7 (online).

Yves Bizeul (Hrsg.), Politische Mythen und Rituale in Deutschland, Frankreich und Polen, Duncker & Humblot, Berlin 2000, ISBN 3-428-09918-4 (online).

Rolf Eickelpasch, Mythos und Sozialstruktur, Bertelsmann, Düsseldorf 1973, ISBN 3-571-09078-4.

Gerd Koenen, Die großen Gesänge: Lenin - Stalin - Mao Tse-tung. Führerkulte und Heldenmythen des 20. Jahrhunderts, Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 1991, ISBN 3-8218-1143-9.

Claude Lévi-Strauss, Mythologiques I-IV, 4 Bde, Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1964-71, ISBN 2-259-00413-X.

Bronislaw Malinowski, Die Rolle des Mythos im Leben, in: Schriften zur Anthropologie. Mit e. Essay v. Raymond Firth, hg. v. Fritz Kramer. Bd.4/2, Syndicat, Frankfurt a. M. 1986, ISBN 3-87061-699-7, S. 141 f..

Frank Möller, Charismatische Führer der deutschen Nation, Oldenbourg, München 2004, ISBN 3-486-56717-9.

Herfried Münkler, Die Deutschen und ihre Mythen, Rowohlt, Berlin 2009, ISBN 978-3-87134-607-1.

Berndt Ostendorf, Der Mythos in der Neuen Welt. Eine Untersuchung zum amerikanischen Myth Criticism, Thesen-Verlag, Frankfurt a. M. 1971, ISBN 3-7677-0005-0.

Armin Pfahl-Traugber, Der antisemitisch-antifreimaurerische Verschwörungsmythos in der Weimarer Republik und im NS-Staat, Braumüller, Wien 1993, ISBN 3-7003-1017-X.

Richard Slotkin, Gunfighter Nation. The Myth of the Frontier in 20th Century America, Univ. of Oklahoma Press, Norman (Oklahoma) 1998, ISBN 978-0-8061-3031-6.

Henry Nash Smith, Virgin Land. The American West as Symbol and Myth, Random House, New York 1950 (online).

Anette Völker-Rasor, Wolfgang Schmale (Hrsg.), MythenMächte - Mythen als Argument, Berlin-Verl. Spitz, Berlin 1998, ISBN 3-87061-699-7.

Matthias Waechter, MythenMächte im amerikanischen Geschichtsbewusstsein. Der Frontier-Mythos, in: Anette Völker-Rasor, Wolfgang Schmale (Hrsg.), MythenMächte - Mythen als Argument. Berlin-Verl. Spitz, Berlin 1998, ISBN 3-87061-699-7, S. 111-131.

Matthias Waechter, Der Mythos des Gaullismus. Heldenkult, Geschichtspolitik und Ideologie, Wallstein, Göttingen 2006, ISBN 3-8353-0023-7 (online).

Zitation
Matthias Waechter, Mythos, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.2.2010, URL: http://docupedia.de/zg/Mythos

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Anmerkungen

    1. Zufällig herausgegriffene Beispiele: Gilbert Ziebura, Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945. Mythen und Realitäten, Stuttgart 1997; Eric J. Hobsbawm, Nationen und Nationalismus. Mythos und Realität seit 1780, übers. v. Udo Rennert, Frankfurt/New York 32005 (1. Aufl. 1992); Deutscher Sonderweg: Mythos oder Realität?, Kolloquien des Instituts für Zeitgeschichte, München 1982. Hierzu auch Wolfgang Weber, Historiographie und Mythographie. Oder: Wie kann und soll der Historiker mit Mythen umgehen?, in: Anette Völker-Rasor/Wolfgang Schmale (Hrsg.), MythenMächte – Mythen als Argument, Berlin 1998, S. 65-87.
    2. Bronislaw Malinowski, Die Rolle des Mythos im Leben (1926, in: ders., Schriften zur Anthropologie. Mit einem Essa y von Raymond Firth. Hrsg. u. mit einer Einl. v. Fritz Kramer (B. Malinowski, Schriften in vier Bänden, Bd. 4/2), Frankfurt a. M. 1986, S. 141 f.
    3. Einen guten Überblick über die ältere Mythostheorie vermittelt Karl Kerenyi (Hrsg.), Die Eröffnung des Zugangs zum Mythos. Ein Lesebuch, Darmstadt 1967.
    4. Hierzu Rolf Eickelpasch, Mythos und Sozialstruktur, Düsseldorf 1973.
    5. Émile Durkheim, Les formes élémentaires de la vie religieuse. Le système totémique en Australie, Paris 1912.
    6. Robert Bellah, Civil Religion in America, in: Daedalus. Journal of the American Academy of Arts and Sciences. 96 (1967), S. 1-21.
    7. Ebd., S. 144.
    8. Claude Lévi-Strauss, Die Struktur der Mythen, in: ders., Strukturale Anthropologie I, Frankfurt a. M. 21992 (1. Aufl. 1958), S. 226-254; ders., Mythos und Bedeutung. Radio-Vorträge, Frankfurt a. M. 1995. Vgl. auch Axel Paul, Claude Lévi-Strauss. Amerikafahrer des Kopfes, in: Joseph Jurt (Hrsg.), Zeitgenössische französische Denker. Eine Bilanz, Freiburg 1998, S. 25-42.
    9. Mircea Eliade, Le sacré et le profane, Paris 1965; ders., Mythos und Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1988.
    10. Carl Gustav Jung, Archetyp und Unbewusstes (Grundwerk C. G., Jung, Bd. 2), Freiburg 1984.
    11. Joseph Campbell, Der Heros in tausend Gestalten, übers. v. Karl Koehne, Frankfurt a. M. 1999.
    12. Mit den Funktionen von Mythen befassen sich zahlreiche Studien. Vgl. etwa Yves Bizeul, Glaube und Politik, Wiesbaden 2009; ders. (Hrsg.), Politische Mythen und Rituale in Deutschland, Frankreich und Polen, Berlin 2000; Andreas Dörner, Politischer Mythos und symbolische Politik. Sinnstiftung durch symbolische Formen am Beispiel des Hermannsmythos, Opladen 1995; Jan Assmann, Frühe Formen politischer Mythomotorik. Fundierte, kontrapräsentische und revolutionäre Mythen, in: ders./Dietrich Harth (Hrsg.), Revolution und Mythos, Frankfurt a. M. 1992, S. 39-61; Armin Pfahl-Traughber, Der antisemitisch-antifreimaurerische Verschwörungsmythos in der Weimarer Republik und im NS-Staat, Wien 1993.
    13. Pierre Bourdieu, Sozialer Raum und „Klassen“. Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen, übers. v. Bernd Schwibs, Frankfurt a. M. 1995; ders., Das politische Feld. Zur Kritik der politischen Vernunft, übers. v. Roswitha Schmidt, Konstanz 2001 sowie, ausgehend von Bourdieu. Dörner, Politischer Mythos.
    14. Vgl. das „The Dynamo and the Virgin” überschriebene Kapitel in: The Education of Henry Adams, New York 1931, S. 379-390.
    15. Beispielhaft etwa die Zeugnisse aus Walter Kempowski/Sebastian Haffner (Hrsg.), Haben Sie Hitler gesehen? Deutsche Antworten, München 1973 sowie die Briefe und „Gebete“, die französische Bürger an den Widerstandführer de Gaulle ins britische Exil schrieben. Vgl. Matthias Waechter, Der Mythos des Gaullismus. Heldenkult, Geschichtspolitik und Ideologie, Göttingen 2006, S. 70 f.
    16. Die Veränderungen der interpersonalen Beziehungen durch Medien werden grundsätzlich thematisiert von Marshall McLuhan, Understanding Media. The Extensions of Man, New York 1964.
    17. Roland Barthes, Mythologies, Paris 1957, S. 181.
    18. Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origin and Spread of Nationalism, London/New York 32006 (1. Aufl. 1983).
    19. Aus der überaus reichhaltigen Literatur zu Nationalmythen des 19. Jahrhunderts: Wulf Wülfing/Karin Bruns/Rolf Parr (Hrsg.), Historische Mythologie der Deutschen 1789-1918, München 1991; Jürgen Link/Wulf Wülfing (Hrsg.), Nationale Mythen und Symbole in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Strukturen und Funktionen nationaler Identität, Stuttgart 1991; Gerd Krumeich, Jeanne d'Arc in der Geschichte. Historiographie, Politik, Kultur, Sigmaringen 1989; Suzanne Citron, Le mythe national. L'histoire de France revisitée, nouvelle éd. Paris 2008; Matthias Waechter, MythenMächte im amerikanischen Geschichtsbewusstsein. Der Frontier-Mythos, in: Völker-Rasor/Schmale, MythenMächte, S. 111-131.
    20. Vgl. Matthias Waechter, Die Erfindung des amerikanischen Westens. Die Geschichte der Frontier-Debatte, Freiburg 1996.
    21. Revisionsversuche im Umfeld des 200-jährigen Jubiläums der Französischen Revolution fanden keinen dauerhaften Nachhall in der Öffentlichkeit. Vgl. François Furet/Jacques Julliard/Pierre Rosanvallon, La République du centre. La fin de l'exception française, Paris 1988.
    22. Dazu Pfahl-Traughber, Der antisemitisch-antifreimaurerische Verschwörungsmythos.
    23. Vgl. Peter Bihari, Images of Defeat. Hungary after the Lost War, the Revolutions, and the Peace Treaty of Trianon, in: Crossroads of European Histories. Multiple Outlook on Five Key Moments in the History of Europe, Strasbourg 2006, S. 165-172.
    24. Vgl. etwa Gita Dharampal-Frick, Ramarajya: Mythopolitik und nationale Identität in Indien, in: Anette Völker-Rasor/Wolfgang Schmale (Hrsg.), MythenMächte – Mythen als Argument, S. 89-110.
    25. Eric Voegelin, The New Science of Politics. An Introduction, Chicago/London 1952, S. 120 ff.
    26. Bizeul, Glaube und Politik, S. 262.
    27. Georges Sorel, Réflexions sur la violence, Paris 1908, S. 21.
    28. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5. Aufl. besorgt v. Johannes Winckelmann, Tübingen 1976.
    29. Max Weber, Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft, in: ders., Soziologie. Universalgeschichtliche Analysen. Politik. Einl. v. Eduard Baumgarten, hg. u. erläutert v. Johannes Winckelmann, Stuttgart 51973 (1. Aufl. 1968), S. 159-166. Vgl. auch Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Johannes Winckelmann, Tübingen 1976.
    30. Dazu folgende Forschungsliteratur: Reinhard Löhmann, Der Stalinmythos. Studien zur Sozialgeschichte des Personenkults in der Sowjetunion (1929-1935), Münster 1990; Klaus Heller (Hrsg.), Personality Cults in Stalinism/Personenkulte im Stalinismus (1929-1935), Göttingen 2004; Ian Kershaw, Der Hitler-Mythos. Führerkult und Volksmeinung, aus dem Engl. von Klaus Kochmann, Stuttgart 21999 (1. Aufl. 1980); Jens Petersen, Mussolini – Mythos und Wirklichkeit eines Diktators, in: Karl-Heinz Bohrer (Hrsg.), Mythos und Moderne. Begriff und Bild einer Rekonstruktion, Frankfurt a. M. 1983, S. 242-260.
    31. Thomas Mann, Freud und die Zukunft (1936), in: ders., Gesammelte Werke in dreizehn Bänden (Bd. 9), Frankfurt a. M. 1974, , S. 496 f.
    32. Vgl. Halil Gülbeyaz, Mustafa Kemal Atatürk. Vom Staatsgründer zum Mythos, Berlin 2003; Waechter, Der Mythos des Gaullismus.
    33. Hierzu Bizeul, Glaube und Politik.
    34. Beispielhaft für die Mythenforschung der „American Studies“: Henry Nash Smith, Virgin Land. The American West as Symbol and Myth, New York 1950; Richard Warrington Baldwin Lewis, The American Adam. Innocence, Tragedy and Tradition in the Nineteenth Century, Chicago 1955; Alan Trachtenberg, Brooklyn Bridge. Fact and Symbol, Chicago 1979; Michael Eric Dyson, Making Malcolm. The Myth and Meaning of Malcolm X, Oxford 1996.
    35. Wolfgang Schmale, Scheitert Europa an seinem Mythendefizit? Bochum 1997.
    36. Vgl. Mark T. Berger, After the Third World? History, Destiny and the Fate of Third Worldism, in: Third World Quarterly 25 (2004), No. 1, S. 9-39. Den Hinweis auf diesen transnationalen Mythos verdanke ich Herrn Christoph Kalter.
    37. Vgl. Ingrid Gilcher-Holtey (Hrsg.), 1968 – vom Ereignis zum Mythos, Frankfurt 2008.
    38. Ich beziehe mich auf die entsprechenden Buchtitel von Francis Fukuyama (1992) und Samuel Huntington (1996).
    39. Instruktiv dazu die offizielle Webseite http://www.debatidentitenationale.fr (04.12.2009).