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Corinna Kuhr-Korolev

Perestroika und das Ende der Sowjetunion. Ein kontroverser Blick zurück

Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 09.02.2021
https://docupedia.de//zg/Kuhr-Korolev_perestroika_v1_de_2021

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok-2119

Artikelbild: Perestroika und das Ende der Sowjetunion <br> Ein kontroverser Blick zurück

Der Sturz des Feliks Dzierżyński-Denkmals vor der KGB-Zentrale auf der Lubjanka, Moskau, 22. August 1991. Fotograf: Dmitry Borko, Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Keine andere Periode der russischen Geschichte zog derartig grundlegende Veränderungen in Europa und der Welt nach sich wie die Zeit der Perestroika in den Jahren 1985-1991. Trotz der Bedeutung der Reformjahre unter Führung des letzten Generalsekretärs der KPdSU Michail Gorbatschow steht die historische Erforschung dieser Periode in vielen Bereichen noch am Anfang. Corinna Kuhr-Korolev fasst das bestehende Wissen zusammen und plädiert für unterschiedliche historische Zugriffe und Blickweisen, um die Vielschichtigkeit der dynamischen Prozesse in dieser Periode auf der Grundlage bisher noch kaum erschlossener Quellenbestände besser zu verstehen.

Perestroika ist im heutigen Russland ein Reizwort. Angesprochen auf Michail Gorbatschows Politik der Umgestaltung der Jahre 1986-1991 (perestroit’ umbauen, umgestalten, neu organisieren) reagieren die meisten russischen Bürgerinnen und Bürger mit wütenden Auslassungen. Gorbatschow habe verantwortungslos und ohne Notwendigkeit das sowjetische Imperium zum Einsturz gebracht. Aber es gibt auch andere Stimmen: Sie betonen die optimistische Aufbruchsstimmung der Perestroika-Zeit, die Durchsetzung lange ersehnter bürgerlicher Freiheitsrechte, die Öffnung des Landes nach außen, die Aufarbeitung der stalinistischen Vergangenheit.[1] Diese positiven Assoziationen sind vor allem mit dem anderen Schlagwort der Zeit verbunden, mit Glasnost (glasnost’ Offenheit, Transparenz, Öffentlichkeit[2]).

Beide Begriffe haben Karriere gemacht und gehören sicherlich zu den im Ausland bekanntesten russischen Wörtern. Sie bezeichnen die Reformphase in der Sowjetunion, aber ebenso sind sie begrifflich mit dem gesamten Umbruch in Ostmitteleuropa verbunden, mit dem Ende des Kalten Kriegs und der Neuordnung Europas nach 1989. Insofern wecken die beiden Begriffe in Westeuropa, in den ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts und in manchen der früheren Sowjetrepubliken positive Assoziationen.[3] Noch in gegenwärtigen, anderen politischen Zusammenhängen wird gelegentlich Perestroika und Glasnost gefordert und damit die Reformbereitschaft und öffentliche Transparenz politischer Entscheidungsprozesse angemahnt.[4]

Zur umstrittenen Bewertung der Perestroika vor allem in Russland trägt bei, dass der Begriff inzwischen umgangssprachlich längst auf die 1990er Jahre ausgedehnt worden ist und damit auch die chaotischen Umbruchprozesse, die schon in die Regierungszeit Boris Jelzins fallen, unter ihm subsummiert werden. In diesem Überblicksartikel wird dagegen nur die Phase der Reformpolitik in den Blick genommen, die mit dem Namen des letzten Generalsekretärs der KPdSU Michail Gorbatschow verbunden und seiner Regierungszeit von 1985 bis 1991 zuzuordnen ist.

Zunächst werden die wichtigsten Etappen und Themen der Perestroika kurz skizziert und der derzeitige Forschungsstand referiert. Dass dies aus einer „moskauzentrischen“ Sicht passiert, spiegelt einerseits die vorliegende Forschung wider, liegt andererseits aber auch im Forschungsgegenstand selbst begründet. Es handelte sich bei der Perestroika zunächst um eine Reform „von oben“, die im Zentrum der Macht, im Politbüro der KPdSU in Moskau von wenigen Personen beschlossen und auf den Weg gebracht wurde. Dieser Zugang stellt nicht in Abrede, dass die Geschichte der Perestroika aus anderen Blickwinkeln erzählt werden kann und eine Vielzahl von Perspektivenwechseln für künftige Forschungen gewinnbringend sein wird.

Auf den Überblick über die Etappen der Reformen und ihre Resultate folgt ein Abschnitt, in dem historische Gesamtdarstellungen der Perestroika vorgestellt werden. Sie alle widmen sich der wesentlichen Frage, warum die Sowjetunion zusammengebrochen ist. Der Erläuterung zentraler Thesen schließen sich Überlegungen zu offenen Forschungsfragen, neuen Zugängen und noch nicht bearbeiteten Quellenbeständen an. Der Artikel endet mit Beobachtungen dazu, wie die bisher wenig erforschte Geschichte der Perestroika zunehmend im politischen Diskurs instrumentalisiert wird, aber auch wie die Zeitzeugenschaft der Historiker*innen in Ost und West den Blick auf die späten 1980er-Jahre prägt.


 

Keine Perestroika ohne Gorbatschow?

Am 11. März 1985 wurde Michail Gorbatschow im Alter von 54 Jahren zum Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) gewählt. Dabei spielte Andrei Gromyko, Außenminister seit 1957, eine entscheidende Rolle. Nach vorausgegangenen vertraulichen Absprachen schlug er bei der entscheidenden Sitzung des Politbüros Gorbatschow als Generalsekretär vor.[5] Es gab andere Kandidaten, aber schon das Alter Gorbatschows sprach für ihn: Er beendete die Herrschaft der „alten Männer“. Nach dem Tod des 76-jährigen Leonid Breschnew im Herbst 1982 hatte der 68-jährige, schwer kranke Juri Andropow das Amt übernommen. Auf dessen 15-monatige Regierungszeit folgte für kurze Zeit der 73-jährige Konstantin Tschernenko. Er starb im März 1985.

Vor diesem Hintergrund ging schon von der Erscheinung des vitalen Gorbatschow, der eine andere Generation repräsentierte, ein positiver Impuls aus. Seine Art aufzutreten, zu reden und – oft in Begleitung seiner Frau Raissa Maximowna Gorbatschowa – den Kontakt zur Bevölkerung zu suchen, ließ von Beginn an keinen Zweifel daran aufkommen, dass er den Willen zu Veränderungen hatte. Auch in der Forschung ist unumstritten, dass es ohne die Person Michail Gorbatschow die Perestroika nicht gegeben hätte. Ohne seine Überzeugung, dass nur radikale Reformen das Land zukunftsfähig machen könnten, wäre die Geschichte anders verlaufen.

Der britische Historiker Archie Brown brachte dies mit seinem Buchtitel „Der Gorbatschow-Faktor“ auf den Punkt.[6] Entsprechend umfangreich ist die Literatur, die sich mit der Biografie, dem Denken und Handeln Gorbatschows auseinandersetzt.[7] Michail Gorbatschow hat zudem in hohem Maße selbst zur Geschichtserzählung über sich und seine Epoche beigetragen. Schon zu Regierungszeiten veröffentlichte er mehrere Bücher, in denen er die Grundlagen seiner Reformpolitik und seines „neuen Denkens“ erläuterte.[8] Nach seinem Rücktritt im Dezember 1991 blieb er im öffentlichen und politischen Leben Russlands präsent, verfasste eine tausendseitige Autobiografie[9] und pflegt das Andenken an sich und seine Politik in der Gorbatschow-Stiftung.[10]

Hinzu kommen zahlreiche Erinnerungen, Tagebuchaufzeichnungen und Biografien seiner engsten Berater,[11] aber auch seiner politischen Gegner wie Boris Jelzin[12] oder Jegor Ligatschow.[13] Anhand dieser Literatur lassen sich persönliche Werdegänge, Denkmuster, politische Netzwerke, Entscheidungsprozesse und die einzelnen Etappen der Reformpolitik rekonstruieren. Bei aller gebotenen Skepsis folgen die meisten Historiker*innen der These, dass Gorbatschow ein Idealist war, der an die Möglichkeit glaubte, das Land in einen besseren Sozialismus, zu einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ führen zu können. Damit sei er ein typischer Vertreter der „Tauwettergeneration“ gewesen. Viele seiner Berater gehörten zur Gruppe der „liberalen Konformisten“, die im Stillen auch nach dem Einmarsch in Prag 1968 und während der Regierung Breschnews auf die Reformierung des Systems gehofft hatten.[14]

Die Biografie Gorbatschows zeigt neben viel Idealismus aber auch den klassischen Werdegang eines Parteifunktionärs, den ein bestimmtes Denken und eine eingegrenzte Wahrnehmung der Realität prägten.[15] Er gilt als Schützling Juri Andropows, der ihn zu seinem Nachfolger aufgebaut hatte. Einer der späteren Berater Gorbatschows berichtete, dass im engen Kreis um Andropow schon in den 1970er-Jahren, als dieser noch Vorsitzender des KGB war, offen über die Mängel des sowjetischen Systems gesprochen wurde.[16] In seiner Funktion als Generalsekretär versuchte Andropow, erste Reformen einzuleiten, die darauf abzielten, die Arbeitsdisziplin und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen.

Reden und Schriften Gorbatschows vom Beginn seiner Amtszeit als Generalsekretär zeigen ihn in dieser Tradition und erwecken gleichzeitig den Eindruck, dass er auch die Denkweise Andropows übernommen habe. In mechanistischer Art und Weise glaubte er an die Plan- und Machbarkeit positiver Veränderungen: Aus der Erkenntnis von Fehlern könne ein Plan zur Verbesserung entstehen, der durch die Parteistrukturen von oben nach unten leicht durchzusetzen wäre. Mit dem Drehen an manchen Stellschrauben und der Umlegung einiger Hebel sei die Staatsmaschine wieder ordentlich in Gang zu bringen.[17] Damit überschätzte Gorbatschow einerseits die Handlungsoptionen des Parteiapparats und unterschätzte andererseits die Komplexität staatlicher Reformen und die Dynamiken, die der Reformprozess in Gang bringen würde. Der Hauptvorwurf an ihn lautet, dass ihm ein Konzept gefehlt und er verantwortungslos einen Prozess mit ungewissem Ausgang angestoßen habe.


 

Wirtschaftliche Voraussetzungen und erste Etappen der Reformpolitik

Michail Gorbatschow verfolgte zunächst das Ziel, die Wirtschaft zu modernisieren und die Produktivität zu steigern. Unter dem Slogan uskorenie (von uskorit’ beschleunigen) sollte wissenschaftlich-technischer Fortschritt erzielt und die Arbeitsdisziplin verbessert werden. Diese Politik knüpfte an die gescheiterten Reformversuche der 1960er-Jahre an, die mit dem Namen Alexei Kossygin verbunden sind. Seit Mitte der 1970er-Jahre zeichnete sich immer mehr ab, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes stark zurückging. Das lag an vielen Faktoren: der mangelnden Effektivität der Planwirtschaft, einem eklatanten Modernisierungsrückstand, der Verschleuderung von Ressourcen, den hohen Ausgaben für Rüstungsprogramme, der Fokussierung auf die Schwerindustrie und fehlenden Innovationen in neuen Bereichen wie Mikroelektronik, Informations- und Biotechnologie. Gleichzeitig wuchs der Konsumbedarf der Bevölkerung, der durch eine schwach ausgeprägte Konsumgüterindustrie und eine ineffektive Agrarwirtschaft nicht gedeckt werden konnte. Der Export von Maschinen, Fahrzeugen und Industrieanlagen ging zurück, während der Anteil von Energieträgern und Brennstoffen anstieg und 1985 bis zu 54 Prozent des Gesamtexports ausmachte. Im Verlauf der 1980er-Jahre fiel der Preis für Öl und Gas stark, sodass die Deviseneinnahmen zurückgingen und damit die Anschaffung moderner Technik im Ausland erschwert wurde.[18]

In der politik- und geschichtswissenschaftlichen Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass die wirtschaftliche Misere einer der maßgeblichen Faktoren für die Einleitung des Reformkurses war. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, ob die Wirtschaft kurz vor dem totalen Zusammenbruch gestanden und es somit einen unausweichlichen Reformzwang gegeben habe oder ob man sich doch mit kleineren Maßnahmen hätte begnügen und noch einige Jahrzehnte die Planwirtschaft aufrechterhalten können. Umstritten ist außerdem die Frage, ob die wirtschaftlichen Reformen auch ohne eine Liberalisierung von Politik und Gesellschaft möglich gewesen seien. Dabei wird auf den „chinesischen Weg“ verwiesen: eine Kapitalisierung der Wirtschaftsordnung unter Beibehaltung der kommunistischen Einparteienherrschaft.[19]

Die Maßnahmen zur Reform der sowjetischen Wirtschaft lassen sich in drei Phasen unterteilen. In der bereits erwähnten ersten Etappe unter dem Schlagwort uskorenie versuchte die Regierung, durch gezielte Investitionen, wirtschaftliche Anreize, Hebung der Disziplin und Betonung der Eigenverantwortlichkeit der Betriebe die Produktivität zu steigern. Dazu gehörte auch die in der Bevölkerung äußerst unpopuläre Anti-Alkohol-Kampagne.[20] Da die Investitionen verpufften und sich keine positiven Veränderungen einstellten, beschlossen Gorbatschow und seine wirtschaftlichen Berater als zweite Etappe 1987 neue Wirtschaftsgesetze, die zwar grundsätzliche Veränderungen zur Folge hatten, aber die bestehende Wirtschaftsordnung gleichzeitig destabilisierten.

Eine entscheidende Neuerung bestand darin, dass Staatsbetriebe auf die sogenannte wirtschaftliche Rechnungsführung und Selbstfinanzierung bzw. Kostendeckung (chozrazčet) umstellen und somit innerhalb der Planvorgaben selbstständig wirtschaften konnten. Auch ausländische Geschäftsbeziehungen und gemeinsame Unternehmen, Joint Ventures, wurden erlaubt. Es bedeutete einen Bruch mit den Prinzipien des Sozialismus, dass jetzt privates Unternehmertum in bestimmten Grenzen zugelassen war. In kürzester Zeit entstanden Tausende Kooperativen gerade im Bereich Handel und Service. Privatwirtschaftliche Aktivitäten, die zuvor als Spekulation verboten waren, wurden damit legalisiert; zugleich boten die neuen Kooperativen die Möglichkeit, illegal erworbenes Kapital zu legalisieren oder ein Startkapital zu erwirtschaften.[21]

Die wirtschaftspolitischen Lockerungen hatten zur Folge, dass die Steuerungsmechanismen der Planwirtschaft nicht mehr funktionierten, während marktwirtschaftliche Regelungsmechanismen noch nicht griffen. Die wirtschaftliche Misere verschlimmerte sich zunehmend, und die Versorgung der Bevölkerung konnte nicht mehr gewährleistet werden, sodass sich Gorbatschow in der dritten Phase der Wirtschaftsreformen 1990 zur Unterstützung eines Programms entschloss, das den Übergang von der Planwirtschaft in die Marktwirtschaft vorsah. Grundlage dafür bildete ein Kompromiss zweier Wirtschaftsprogramme. Eines war das radikale „Programm der 500 Tage“,[22] das im Obersten Sowjet der RSFSR (Russische Sowjetrepublik) Zustimmung fand. Das andere war unter Federführung des Ministerpräsidenten der UdSSR, Nikolai Ryschkow, erarbeitet worden und sah vor, Schlüsselindustrien und Banken unter staatlicher Kontrolle zu halten.[23] Dieser letzte Versuch Gorbatschows, den Absturz der Wirtschaft zu stoppen, misslang, sodass der Staatsbankrott im Sommer 1991 nur mit Milliardenkrediten aus dem Westen zu vermeiden war.[24]


 

Umbrüche der gesellschaftlichen und politischen Ordnung

Als sich abzeichnete, dass die ersten Versuche, die Wirtschaft in Gang zu bringen, keine Resultate brachten, kündigte Gorbatschow im Januar 1987 mit den Schlagworten Perestroika und Glasnost eine deutlich entschlossenere Umgestaltung an. Mitsprache und Aktivität der Bürger*innen sollten erhöht, die Rechtsordnung gestärkt und die Gesetzgebung verbessert werden. In diesem Zusammenhang standen auch die bereits erwähnten Wirtschaftsgesetze. Während sie die sozialistische Eigentumsordnung aufweichten, stellten die nunmehr erlaubten und vehement einsetzenden Diskussionen um die Einparteienherrschaft und um die führende Rolle der Kommunistischen Partei die Fundamente der politischen Ordnung in Frage.

Im Frühjahr 1989 fanden die Wahlen zu einem neuen staatlichen Organ mit höchster gesetzgeberischer Funktion statt: dem Kongress der Volksdeputierten der UdSSR. Dies war der Beginn einer demokratischen Entwicklung: Nach Quotenregelungen wurden aus dem ganzen Land Vertreter*innen gewählt, wobei in Konkurrenz zur Kommunistischen Partei alternative Kandidat*innen aufgestellt werden konnten. Besonders in den großen Städten mobilisierte sich die Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Wahlkampf: Verschiedenste Interessengruppen[25] formierten sich, Meetings wurden abgehalten, Flugblätter verteilt, Zeitungen gedruckt, Skandale um Verunglimpfung, Behinderung oder Bestechung von Kandidaten diskutiert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sprang der Funke über. Die „von oben“ gesteuerten Reformversuche lösten eine starke gesellschaftliche Dynamik aus, „von unten“ kam ein zunehmender Druck, die Ordnung grundsätzlich zu ändern. Als Ende Mai bis Anfang Juni 1989 der I. Kongress der Volksdeputierten der UdSSR stattfand, saß das ganze Land vor dem Fernseher und verfolgte die politischen Debatten.[26]

Maßnahmen zur Umgestaltung, tituliert als Perestroika, gingen Hand in Hand mit dem Postulat der Glasnost, dem kritischen, öffentlichen Diskurs über die Voraussetzungen, Notwendigkeiten und Ziele der Reformen. Die Kritik am Krisenmanagement und an der mangelhaften Informationspolitik der Regierung im Zusammenhang mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl im April 1986 hatte einen entscheidenden Impuls zur Einsicht gegeben, dass öffentliche Diskussionen stärker zugelassen werden müssten.[27]

Auch für Glasnost lässt sich feststellen, dass die zunächst „von oben“ gesteuerten, über die Parteimedien lancierten Gesprächsangebote auf ein ungeheures Diskussions- und Wissensbedürfnis „von unten“ stießen und eine mediale Revolution auslösten. Populäre Zeitungen und Journale wie „Moskowskije Nowosti“ oder „Ogonjok“ konnten die Flut der Leserbriefe aus der gesamten Sowjetunion und aus allen Bevölkerungsschichten kaum bewältigen. Die Möglichkeit, endlich frei über alle Sorgen und Probleme schreiben zu dürfen, setzte eine ungeheure Dynamik in der Gesellschaft in Gang und stellte das Selbstverständnis des Landes und seiner Bürger*innen grundlegend in Frage. Unter den Vorzeichen von Glasnost konnten Umweltprobleme, wirtschaftliche Defizite, Alkoholismus und soziale Probleme, kultureller Niedergang, verkrustete Parteistrukturen und Privilegien der Parteinomenklatura schließlich ebenso diskutiert werden wie der verlustreiche Krieg in Afghanistan oder die Verbrechen der Stalinzeit.[28]


 

Die erste Ausstellung über die Verbrechen des Stalinismus, genannt „Woche des Gewissens“, fand im November 1988 im Klub der Moskauer Elektrolampenfabrik statt. Moskau, 19. November 1988, Fotograf: Dmitry Borko. Quelle: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wall_of_sorrow_at_the_first_exhibition_of_the_victims_of_Stalinism_in_Moscow.jpg Wikimedia Commons], Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en CC BY-SA 4.0]
Die erste Ausstellung über die Verbrechen des Stalinismus, genannt „Woche des Gewissens“, fand im November 1988 im Klub der Moskauer Elektrolampenfabrik statt. Moskau, 19. November 1988, Fotograf: Dmitry Borko. Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 4.0


 

Neben dem positiven Impuls, der von Glasnost’ ausging, gab es den negativen Nebeneffekt, dass sich alle vermeintlichen Sicherheiten auflösten. Zusätzlich verstärkt durch Katastrophen wie das Erdbeben in Armenien 1988,[29] ein schweres Eisenbahnunglück im Frühjahr 1989, eskalierende Nationalitätenkonflikte und Versorgungsengpässe führte die ungewohnte mediale Überflutung zu einer Stimmung von Orientierungs- und Ausweglosigkeit. Die Partei, der Michail Gorbatschow zu Beginn der Perestroika einen neuen Geist einhauchen und sie wieder zur Avantgarde einer der Zukunft zugewandten Politik machen wollte, verlor durch die öffentliche Kritik immer mehr an Glaubwürdigkeit. Damit beraubte sich Gorbatschow einerseits seiner Machtbasis. Andererseits formierten sich die bereits vorher existierenden Lager innerhalb der Partei und der sowjetischen Eliten nun sichtbar in Konkurrenz zueinander und polarisierten zunehmend die Gesellschaft in Reformanhänger und Traditionalisten.

Für diesen Prozess spielte der Umgang mit der sowjetischen Vergangenheit eine große Rolle. Die historischen Debatten begannen 1987. Von der zaghaften Umdeutung revolutionärer Ereignisse gelangte man bald zur Neubeurteilung alter Bolschewiki wie Leo Trotzki oder Nikolai Bucharin, deren Namen aus den Geschichtsbüchern getilgt worden waren, diskutierte den Mord an der Zarenfamilie 1918, veröffentlichte die Werke vergessener oder verfemter Schriftsteller*innen wie Ossip Mandelstam, Michail Bulgakow, Daniil Charms, Sinaida Gippius und vieler anderer, schrieb über die Millionen Opfer der Hungersnot der 1930er-Jahre in Südrussland und den Holodomor in der Ukraine, sammelte die Namen der Erschossenen und Inhaftierten des „großen Terrors“ der Jahre 1936 bis 1938.[30]

Für die verschiedenen Nationalitäten der Sowjetunion hatte besondere Bedeutung, dass Repressionen, die sie im Verlauf der sowjetischen Geschichte erfahren hatten, nun erstmals öffentlich thematisiert werden konnten. Koreaner, Ukrainer, Wolgadeutsche, Krimtataren, Tschetschenen, Inguschen und viele andere waren in verschiedenen Phasen der Herrschaft Stalins zwangsdeportiert worden.[31] Für die nationalen Unabhängigkeitsbewegungen in den baltischen Sowjetrepubliken war der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt von 1939 zentral. Gorbatschow gab erst Ende des Jahres 1989 nach vielen Ausweichmanövern zu, dass es das geheime Zusatzprotokoll gab. In ihm hatten Hitler und Stalin ihre Interessensphären festgelegt und damit die Grundlage für die Besetzung der baltischen Staaten, der westlichen Gebiete von Belarus und der Westukraine sowie der Nord-Bukowina und Bessarabien gelegt.[32]


 

Nationalitätenkonflikte und zentrifugale Kräfte

Die Sowjetunion bestand aus 15 nationalen Republiken, innerhalb derer nochmals eine große Zahl autonomer Gebietseinheiten existierte. Insgesamt gab es über 120 Nationalitäten. Zur russischen Nationalität zählten sich im Jahr 1989 etwas weniger als 140 Millionen der circa 250 Millionen sowjetischer Bürger*innen. Die zweitgrößte Gruppe mit über 40 Millionen waren die Ukrainer*innen. Es folgten die usbekische, belarussische und kasachische Nationalität.[33] Die Völkerfreundschaft gehörte zur Ideologie des Staats und verdeckte, dass es einerseits Vorbehalte gegen die russische Dominanz gab und andererseits Konflikte zwischen einzelnen Nationalitäten, die kulturelle, soziale oder religiöse Gründe hatten. Die Liberalisierung unter Gorbatschow ermöglichte es, dass sich nationale Gruppierungen stärker formieren und ihre Interessen artikulieren konnten. Dabei reichte das Spektrum von gemäßigten Forderungen nach mehr Autonomie und stärkerer Förderung der eigenen nationalen Sprache und Kultur bis zu separatistischen, oft auch nationalistischen und rassistischen Ansichten.[34]

Zu ersten Unruhen während der Regierungszeit Gorbatschows, die auf bestehende Nationalitätenkonflikte hinwiesen, kam es im Dezember 1986 in Kasachstan. Dort traf das Vorhaben Gorbatschows, einen Ersten Parteisekretär einzusetzen, der russischer Herkunft war und keinen Bezug zu Kasachstan hatte, auf heftigen Widerstand, der in einem gewaltsamen Aufstand von Studierenden in Alma-Ata mündete.[35] Im Februar 1988 begann die Eskalation um die armenische Enklave Nagorny Karabach in Aserbaidschan, bei dem die armenische Bevölkerungsmehrheit des Gebiets den Anschluss an Armenien forderte. Es kam zunächst zu einer Vielzahl blutiger Zusammenstöße zwischen den Angehörigen beider Völkerschaften, zu Vertreibungen und Pogromen. Im Januar 1990 besetzten sowjetische Armee-Einheiten Baku, um die Aktivitäten der Aserbaidschanischen Volksfront zu unterbinden. Über hundert Zivilisten wurden dabei getötet, über 700 verletzt. Die Konfrontation zwischen Armeniern und Aserbaidschanern setzte sich im Verlauf der 1990er-Jahre fort, ist bis heute nicht beigelegt und flammte im Herbst 2020 erneut als militärischer Konflikt auf.[36]

Im Juni 1988 gründeten litauische Intellektuelle eine „Initiativgruppe Sajūdis“ zur Unterstützung der Perestroika und mit dem Ziel der „litauischen Erneuerung“, also der Rückbesinnung auf eigene nationale Traditionen, Geschichte und Kultur. Die Bewegung organisierte im Sommer 1988 in der litauischen Hauptstadt Vilnius große Kundgebungen, an denen bis zu 250.000 Menschen teilnahmen. Auch in Lettland und Estland bildeten sich sogenannte Volksfronten als breite Bürgerbewegungen, die im Zuge der „singenden Revolution“ zunehmend die Unabhängigkeit ihrer Republiken von der Sowjetunion forderten.[37] Um ihren Unabhängigkeitswillen zu demonstrieren, bildeten die Bürger*innen der drei baltischen Staaten zum 50. Jahrestag des Hitler-Stalin-Pakts im August 1989 eine 600 Kilometer lange Menschenkette von Tallinn über Riga nach Vilnius. Im Frühjahr 1990 proklamierten die drei Republiken ihre Souveränität.


 

Menschenkette „Baltischer Weg“. Mit einer Menschenkette durch die damaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen demonstrierten 1989 Hunderttausende für ihre Unabhängigkeit. Damit erinnerten sie an den Hitler-Stalin-Pakt, in dessen Folge die drei Staaten 50 Jahre zuvor von der Sowjetunion annektiert worden waren. Fotograf: Kusurija, 23. August 1989. Quelle: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Baltsk%C3%BD%C5%98et%C4%9Bz.jpg#/media/File:Baltsk%C3%BD%C5%98et%C4%9Bz.jpg Wikimedia Commons], Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/ CC BY-SA 3.0]
Menschenkette „Baltischer Weg“. Mit einer Menschenkette durch die damaligen Sowjetrepubliken Estland, Lettland und Litauen demonstrierten 1989 Hunderttausende für ihre Unabhängigkeit. Damit erinnerten sie an den Hitler-Stalin-Pakt, in dessen Folge die drei Staaten 50 Jahre zuvor von der Sowjetunion annektiert worden waren. Fotograf: Kusurija, 23. August 1989. Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0


 

Im Januar 1991 versuchten Moskau-treue Kräfte, mit Unterstützung sowjetischer Armee- und Sondereinheiten in Vilnius gewaltsam die Macht zu übernehmen. Bei der Verteidigung des Parlaments und des Fernsehturms starben am 13. Januar 14 Litauer, über 1000 Personen wurden verletzt. In der lettischen Hauptstadt Riga kam es einige Tage später zu blutigen Zusammenstößen, die Todesopfer forderten.[38] Im In- und Ausland wurden diese Ereignisse als Abkehr Gorbatschows vom Reformkurs gewertet. Er verlor damit endgültig seine Glaubwürdigkeit und die Zustimmung der Bevölkerung. In den großen Städten der Sowjetunion gingen die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße, um gegen das gewaltsame Vorgehen und für den Fortgang des Reformkurses zu protestieren.

In Georgien eskalierte während der Perestroika einerseits der latent bestehende Konflikt zwischen den separatistischen Abchasen und den Georgiern, andererseits gewann die nationale georgische Bewegung an Gewicht. Eine ihrer Demonstrationen vor dem Regierungssitz in Tiflis wurde im April 1989 von Sondereinheiten der sowjetischen Armee mit brutaler Gewalt aufgelöst. Die Sicherheitskräfte schlugen dabei mit Feldspaten auf Demonstrierende ein und verwendeten Giftgas. 21 Personen wurden getötet, über 100 schwer verletzt. Die Loslösung Georgiens von der Sowjetunion war ab diesem Ereignis nur noch eine Frage der Zeit.[39]

Auch in den anderen Sowjetrepubliken bildeten sich nationale Unabhängigkeitsbewegungen, deren Einfluss angesichts der sich verschlechternden wirtschaftlichen Situation im Land und dem Verlust der Glaubwürdigkeit Gorbatschows zunahm. Die russische Sowjetrepublik war dabei keine Ausnahme. Auch der russische Nationalismus bekam mehr und mehr Anhänger,[40] und selbst in Kreisen der Reformer gewann die Idee Popularität, dass eine unabhängige russische Sowjetrepublik vielleicht die Vielzahl der Probleme besser bewältigen könnte, wenn sie sich der Last der anderen Republiken entledigen würde.[41]


 

Teilnehmer einer Kundgebung zur Unterstützung von Demokratie und Perestroika in Duschanbe, Tadschikistan im Februar 1990. Fotograf: Vladimir Fedorenko, 16. Februar 1990. Quelle: RIA Novosti Archiv, Bild-Nr. 699860 / [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:RIAN_archive_699860_Massive_riots_in_Dushanbe_in_February_1990.jpg Wikimedia Commons], Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en CC-BY-SA 3.0]
Teilnehmer einer Kundgebung zur Unterstützung von Demokratie und Perestroika in Duschanbe, Tadschikistan im Februar 1990. Fotograf: Vladimir Fedorenko, 16. Februar 1990. Quelle: RIA Novosti Archiv, Bild-Nr. 699860 / Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA 3.0


 

Neuorientierung der Außenpolitik

Gorbatschows „Neues Denken“ bezog sich von Beginn an sowohl auf die Innen- als auch auf die Außenpolitik. Einerseits verursachten der Rüstungswettlauf mit den USA, der Krieg in Afghanistan und die Unterstützung sozialistischer Bruderländer immense Kosten, andererseits hätte es nicht zur Vorstellung der Reformer von der Erneuerung des Sozialismus gepasst, wenn sowjetische Truppen gewaltsam die Vorherrschaft der kommunistischen Parteien in Osteuropa gesichert hätten. Entsprechend ließ Gorbatschow bei verschiedenen Gelegenheiten durchblicken, dass er die „Breschnew-Doktrin“ für nicht mehr zeitgemäß halte und bereit sei, den sozialistischen Ländern das Recht auf Selbstbestimmung zuzugestehen.

Die oppositionellen Bewegungen in Osteuropa, allen voran die polnische Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“, gewannen mit dieser Sicherheit an Gewicht und Selbstvertrauen. Auch die herrschenden sozialistischen Parteien in den Bruderländern verstanden das Signal. Zunächst in Polen, dann in Ungarn und der Tschechoslowakei fanden sich die Machthaber zu Zugeständnissen und Gesprächen mit der Opposition bereit. Nicht so die SED in der DDR, wo Honecker und die SED-Führungsriege bis zu ihrem erzwungenen Rücktritt im Oktober 1989 an ihrem Kurs festhielten und keine Reformen in Erwägung zogen.[42]


 

Zum XI. Parteitag der SED kam der Generalsekretär des ZK der KPdSU Michail Gorbatschow im April 1986 nach Ost-Berlin. Er sprach über Glasnost und Perestroika; die SED-Führung in der DDR gab sich unbeeindruckt. Das Bild zeigt Gorbatschow an der Mauer am Brandenburger Tor; links: Günter Mittag, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED; 2.v.r.: Stadtkommandant Generalleutnant Karl-Heinz Drews. Ost-Berlin, 16. April 1986. Foto: Hartmut Reiche (ADN-ZB). Quelle: [https://www.bild.bundesarchiv.de/dba/de/search/?query=Bild+183-1986-0416-418 Bundesarchiv Bild 183-1986-0416-418] / [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-1986-0416-418,_Berlin,_Michail_Gorbatschow_an_der_Mauer.jpg Wikimedia Commons], Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en CC-BY-SA 3.0]
Zum XI. Parteitag der SED kam der Generalsekretär des ZK der KPdSU Michail Gorbatschow im April 1986 nach Ost-Berlin. Er sprach über Glasnost und Perestroika; die SED-Führung in der DDR gab sich unbeeindruckt. Das Bild zeigt Gorbatschow an der Mauer am Brandenburger Tor; links: Günter Mittag, Mitglied des Politbüros und Sekretär des ZK der SED; 2.v.r.: Stadtkommandant Generalleutnant Karl-Heinz Drews. Ost-Berlin, 16. April 1986. Foto: Hartmut Reiche (ADN-ZB). Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1986-0416-418 / Wikimedia Commons, Lizenz: CC-BY-SA 3.0


 

Ebenfalls erstaunlich schnell vollzog sich der Wandel im Verhältnis der Großmächte. Schon bald nach seinem Amtsantritt suchte Gorbatschow den Kontakt zum US-amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, der seit Beginn seiner Regierungszeit 1981 den Rüstungswettlauf verstärkt und sich dezidiert als Antikommunist positioniert hatte. Bei ihrem ersten Gipfeltreffen in Genf im November 1985 ging es um den Krieg in Afghanistan, um Menschenrechte und um das amerikanische Weltraumprogramm SDI. Obwohl es dort zu keiner Einigung kam, unterbreitete Gorbatschow 1986 weitreichende Abrüstungsvorschläge. Das Gipfeltreffen in Reykjavik in demselben Jahr scheiterte am Festhalten Reagans am SDI-Programm. Dennoch mündeten die schwierigen Verhandlungen in die Unterzeichnung des INF-Vertrags 1987, der die Vernichtung aller boden- und landgestützten Flugkörper mit kürzerer oder mittlerer Reichweite vorsah. Im März 1989 begannen die Wiener Verhandlungen über den Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE).[43] Auch der Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan ab Frühjahr 1988 verdeutlichte, dass Gorbatschow und seine Berater Kosten und Risiken der sowjetischen Großmachtpolitik einschränken wollten.

Mit dem Topos vom „gemeinsamen Haus Europa“ warb Gorbatschow für die Überwindung des Kalten Kriegs und des Blockdenkens. Seine Friedensappelle, die nicht weniger idealistisch klangen als seine Ideen zur Erneuerung des Sozialismus in der Sowjetunion, stießen auf unterschiedliche Resonanz. Im eigenen Land konnten sie als Fortsetzung der Rhetorik der Völkerfreundschaft oder als Anbiederung an das westliche Ausland verstanden werden. Im Ausland selbst gab es lange Zeit Vorbehalte. So sorgte der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem Vergleich zwischen der Friedensinitiative Gorbatschows und der Propaganda von Goebbels für einen außenpolitischen Skandal.[44] Als sich jedoch abzeichnete, dass die friedlichen Revolutionen in Osteuropa seitens der Sowjetunion nicht gewaltsam unterdrückt wurden, entstand Vertrauen in die Person Michail Gorbatschow. In der westlichen Öffentlichkeit avancierte er zum Politstar,[45] während im eigenen Land die Kritik am Generalsekretär angesichts der sich dramatisch verschlechternden wirtschaftlichen Situation immer weiter zunahm. Führende westdeutsche Politiker und Diplomaten erkannten nach dem Mauerfall 1989 die Chance zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten.

Die Verhandlungen, die schließlich im September 1990 in den Zwei-plus-Vier-Vertrag mündeten, zogen sich über das ganze Jahr hin. Die umstrittenste Frage dabei war die der Zugehörigkeit des zukünftigen vereinigten Deutschlands zu Verteidigungsbündnissen. Unvorstellbar erschien die Vorstellung, dass die DDR, auf deren Territorium nach wie vor sowjetische Truppen stationiert waren, einmal zur NATO gehören würde. Dass Gorbatschow letztlich mündlich zugestand, dass ein zukünftig wiedervereinigtes Deutschland selbst über seine Bündnisse entscheiden könne, hatte auch mit der schwachen Verhandlungsposition zu tun, in der er sich mittlerweile befand. Angesichts der Wirtschaftsmisere war er auf Milliardenkredite aus dem Westen angewiesen.[46]

Zeitgleich zu den Verhandlungen um die deutsche Wiedervereinigung vollzog sich im Rahmen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) die Neugestaltung der gesamteuropäischen Sicherheitsordnung. Auf dem Gipfeltreffen der KSZE vom 19. bis zum 21. November 1990 wurde mit der „Charta von Paris“ der Ost-West-Konflikt auf der normativen Ebene beendet. Bei dieser Gelegenheit gaben die Staaten des Warschauer Pakts und der NATO eine „Gemeinsame Erklärung“ ab, in der sie ihre frühere Verpflichtung zum Nichtangriff bekräftigten und sich nunmehr als Partner und nicht mehr als Gegner definierten. Der Warschauer Pakt löste sich am 1. Juli 1991 offiziell selbst auf.[47] Was im Westen als Ende des Kalten Kriegs gefeiert wurde, galt vielen in der Sowjetunion als weitere Niederlage, denn es bedeutete das Ende des Großmachtstatus.[48]


 

1990/91 – Der Zusammenbruch der sowjetischen Ordnung

Zu Beginn der Reformen herrschten Euphorie und die Illusion, die Zukunft brächte bürgerliche Freiheiten und westlichen Wohlstand und bewahre gleichzeitig die gewohnten Sicherheiten des Lebens im Sozialismus. Schon 1990 machte sich Enttäuschung breit. Die Versorgungslage verschlechterte sich dramatisch, die Preise stiegen an, und die Zunahme der Kriminalität schuf ein Klima von Angst und Unsicherheit.[49] Die Popularität Gorbatschows in der Bevölkerung sank. Als Gegenspieler positionierte sich Boris Jelzin. Gorbatschow selbst hatte den früheren 1. Parteisekretär aus Swerdlowsk 1985 nach Moskau geholt; er war allerdings bereits im Herbst 1987 aufgrund von Meinungsdifferenzen seiner Ämter enthoben worden. Dennoch gelang es Jelzin in den folgenden Jahren, sich als Retter des Reformkurses zu präsentieren. Um ihn vereinigten sich die sogenannten Radikalreformer, während Gorbatschow zwischen kommunistischen Hardlinern und gemäßigten Reformern zu vermitteln suchte.

Im Februar 1990 hob der Oberste Sowjet der UdSSR den 6. Artikel der Verfassung auf und gab damit das Machtmonopol der Kommunistischen Partei auf. Gleichzeitig wurde eine Präsidialverfassung beschlossen. Michail Gorbatschow ließ sich im März zum Staatspräsidenten wählen und hoffte vergeblich darauf, durch zusätzliche Machtbefugnisse seine Reformpolitik effektiver umsetzen zu können. Auf Ebene der Russischen Sowjetrepublik tagte ab 16. Mai 1990 der 1. Volksdeputiertenkongress der RSFSR. Der Kongress wählte aus seinen Reihen als Führungsgremium den Obersten Sowjet der Russischen Sowjetrepublik sowie als dessen Vorsitzenden Boris Jelzin. Am 12. Juni nahm der Volksdeputiertenkongress die Deklaration über die staatliche Souveränität der RSFSR an, wodurch zwei Machtzentren entstanden: Gorbatschow als Präsident der UdSSR und Jelzin als Vorsitzender des Obersten Sowjets der RSFSR, ab dem 12. Juni 1991 als der vom Volk gewählte Präsident der RSFSR. Die Bevölkerung mobilisierte sich zunehmend gegen die weiter bestehende Herrschaft der KPdSU; in den Sowjetrepubliken demonstrierten die Bürger*innen für ihre Unabhängigkeit; in den Kohlerevieren des Donbass, Kusbass und in Workuta begannen Streiks der Bergleute.[50]

Gorbatschow versuchte, mit einem Referendum im März 1991 die Grundlagen für einen erneuerten Föderationsvertrag zu schaffen. 76 Prozent der Bürger*innen sprachen sich zwar für den Erhalt der UdSSR aus, aber sechs Unionsrepubliken verweigerten sich der Abstimmung. Vom 19. bis 21. August 1991 unternahmen die Anhänger der alten Ordnung den Versuch, sich zurück an die Macht zu putschen. Im Nachhinein wirkte der Putsch schlecht vorbereitet und wenig aussichtsreich, aber für die Zeitgenossen war die Situation unüberschaubar und bedrohlich. In Moskau, Leningrad und anderen großen Städten gingen die Menschen zu Hunderttausenden auf die Straße, um gegen die Putschisten zu demonstrieren. Am 21. August war der Staatsstreich gescheitert. Jelzin als Präsident der Russischen Sowjetrepublik erklärte das „Staatskomitee für den Ausnahmezustand“ für illegal, die Putschisten wurden verhaftet.[51]

Der Putsch wirkte wie ein Brandbeschleuniger für das Auseinanderbrechen des Landes. In den folgenden Wochen erklärten die Republiken der Reihe nach ihre Unabhängigkeit; in der Russischen Sowjetrepublik verbot Jelzin die Kommunistische Partei. Am 8. Dezember 1991 beschlossen die Präsidenten von Russland, der Ukraine und Belarus die Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und die Auflösung der UdSSR. Am 25. Dezember trat Gorbatschow als Staatspräsident zurück. Die rote Fahne der Sowjetunion auf der Kuppel des Senatspalasts im Kreml wurde eingeholt und stattdessen die Trikolore des Fortsetzerstaats Russland gehisst. Das Ende der Sowjetunion war damit besiegelt.[52]


 

Forschungsstand und Interpretationsansätze

Die historische Forschung zur Perestroika steht immer noch am Anfang und ist bei Weitem nicht so ausdifferenziert wie die entsprechende Forschung zur „Wende“ in der DDR oder dem Umbruch in Ostmitteleuropa. Bisher ist sie stark geprägt vom Blick der zeitgenössischen politischen Beobachter*innen[53] sowie von der politologischen und sozialwissenschaftlichen Forschungsliteratur, die unmittelbar in den Jahren der Perestroika oder in den 1990er-Jahren erschienen ist. Obwohl sich der Zeitrahmen der Perestroika durch die Amtszeit Michail Gorbatschows klar abgrenzen lässt, befindet sich diese Periode analytisch eingezwängt zwischen der historischen Forschung zum Sozialismus in der späten Sowjetunion und der eher politologischen Forschung zur Umbruchphase nach 1991.

Fragestellungen zur Perestroika gründen deshalb häufig auf dem Interesse an einem Problem, das zeitlich vorher oder nachher liegt. Wenn die Gorbatschow-Zeit als Endpunkt einer Entwicklung gesehen wird, stellen sich vor allem Fragen nach der Reformierbarkeit des Sozialismus sowjetischer Spielart, nach dem Ausmaß der Krisensituation oder nach der Sprengkraft unterdrückter nationalistischer Tendenzen in den Sowjetrepubliken. Wer die Perestroika hingegen als Startpunkt für eine neue Entwicklung betrachtet, fragt, ob die demokratischen Kräfte in Russland und in vielen der ehemaligen Sowjetrepubliken zu schwach waren, um die Rückkehr autoritärer Tendenzen zu verhindern.

Mit der Situation des heutigen Russlands vor Augen sucht man nach Erklärungen dafür, warum es nicht gelungen ist, eine zuverlässig funktionierende Rechtsstaatlichkeit zu realisieren. Es wird untersucht, warum die Privatisierung der Wirtschaft den Aufstieg von Oligarchen ermöglicht hat und weshalb Korruption zu einem Problem geworden ist, das sich offenbar kaum in den Griff bekommen lässt.[54] Von der Warte der heutigen Regierenden in Russland und ihrer Anhänger*innen wiederum scheinen andere Fragen im Mittelpunkt zu stehen: Mit Blick auf den eigenen Machterhalt besorgt sie, dass Gorbatschow, ohne es zu wollen, sein Machtmonopol zersetzt und das Land ins Chaos gestürzt hat.

Aus diesen unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, rücken Vorgeschichte oder Folgen der Perestroika in den Mittelpunkt, nicht aber die Periode selbst. Sie kann in ihrer Bedeutung aber erst dann erschöpfend verstanden werden, wenn zusätzlich Fragestellungen entwickelt werden, die sie als eigenständige Periode behandeln.

Die bisher vorliegenden historischen Gesamtdarstellungen zur Gorbatschow-Zeit sind vor allem politik- und strukturhistorische Darstellungen, welche die Rahmenbedingungen und Eckdaten dieses Zeitabschnitts systematisieren. Sie konzentrieren sich auf das unmittelbare politische Geschehen und das Handeln Michail Gorbatschows, seiner Mitstreiter und Konkurrenten. Die inneren und äußeren wirtschaftlichen Faktoren werden erläutert: die außenpolitischen Beziehungen, die Nationalitätenkonflikte, der Bürokratismus, die sozialen Probleme, die Mängel des Wohlfahrtssystems, fehlende Rechtsstaatlichkeit, der Kampf um die Anerkennung der Menschenrechte und die Konflikte im Bereich der Kultur.[55] Direkt oder indirekt setzen sie sich damit auseinander, warum Gorbatschow Reformen einleitete und weshalb sein Reformkurs zum Untergang der Sowjetunion führte.

Der Grundtenor der zeitnah verfassten Untersuchungen lautet, dass das sowjetische System unter einem extremen Reformdruck stand und Maßnahmen unumgänglich waren. Je nach Standpunkt rücken Autor*innen die Kosten der Rüstungsindustrie, den fallenden Ölpreis oder die ineffektive Planwirtschaft in den Vordergrund.[56] Andere betonen die Ermüdungserscheinungen der Gesellschaft, die fehlende Bindungskraft des Sozialismus als Staatsideologie, den Wunsch nach bürgerlichen Freiheiten und den wachsenden Konsumbedarf der Bevölkerung.[57] Auch ein social overstretch,[58] eine kumulative Gerechtigkeitskrise,[59] oder die Probleme, ein multinationales Imperium zusammenhalten zu müssen, ein imperial overstretch,[60] können im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Das Scheitern wird in der Regel einerseits auf die Konzeptlosigkeit und die fehlende Entschlossenheit der Reformer sowie auf die Beharrungskraft von Strukturen und Mentalitäten und andererseits auf die Brisanz lange unterdrückter Kräfte zurückgeführt.

Gegen eine Betrachtungsweise, die vom Wissen um das Ergebnis bestimmt ist, versuchten Stephen Kotkin und Alexei Yurchak anzuschreiben. Kotkin rekapituliert in seinem 2001 verfassten Essay „Armageddon Averted“ die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie die Ambitionen Gorbatschows und kommt zu einer „Selbstmordthese“.[61] Seiner Meinung nach hätte das System weiterbestehen können, wäre nicht Gorbatschow aus tiefer ideologischer Überzeugung der Meinung gewesen, das Land zu einem Sozialismus im Geiste Lenins zurückführen zu müssen. Indem die sowjetische Führungselite ihrem eigenen Projekt das Vertrauen entzogen habe, sei die sowjetische Ordnung implodiert.

Yurchak sucht einen anderen methodischen Zugang und löst sich von der Betrachtung der Reformpolitik, ihrer Voraussetzungen, Akteure und Grenzen. Er beschreibt in „Everything Was Forever, Until It Was No More“ anhand von Briefwechseln und Interviews mit Mitgliedern der Jugendorganisation Komsomol, wie sich im Spätsozialismus der diskursive Raum veränderte und von den Menschen auf ihre Weise gedeutet wurde. Indem die Teilnahme an ritualisierten Handlungen wie Komsomol-Versammlungen oder Mai-Demonstrationen nur noch als performativer Akt vollzogen wurde, verkam das System zur leeren Hülle.[62] Yurchak hat bei genauer Betrachtung ein Buch über den späten Sozialismus geschrieben und nicht über die Zeit der Perestroika. Seine These ist eine methodisch inspirierende Erweiterung der oben bereits skizzierten „Ermüdungsthese“. Er löst sich von binären Denkmustern, wendet sich einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe zu und arbeitet mit Egodokumenten und Interviews. Auf diese Weise gelingt ihm ein neuer Blick auf die sowjetische Gesellschaft.

Zukünftige Forschungen zur Perestroika sollten diesen Impuls aufnehmen. Nicht die großen historischen Synthesen sind angesichts des derzeitigen Forschungsstands gefragt, sondern Detailstudien, die neue Quellenbestände erschließen und Fragen aus anderen Perspektiven stellen. In den Mittelpunkt muss eine Gesellschaftsgeschichte im weitesten Verständnis rücken, weil dieser Bereich in der Forschung bisher zu wenig beachtet wurde. Die Perestroika gilt als „Revolution von oben“. Das ist hinsichtlich ihres Beginns eine zutreffende Bewertung, vernachlässigt aber, dass eine starke Dynamik „von unten“ als Reaktion auf die Reformversuche folgte und den weiteren Prozess wesentlich mitbestimmte. Wir wissen bisher zu wenig darüber, wie sich die Mobilisierung der Bevölkerung im Einzelnen vollzog, wie der Alltag sich durch die Reformen veränderte und wie sich die Menschen an die neuen Lebensbedingungen anpassten bzw. diese oft nur mit Mühe überlebten.[63] Auch benötigen wir noch detaillierte Informationen, wie soziale Netzwerke und Freundeskreise,[64] aber ebenso Klientel- und Patronage-Beziehungen[65] in der Umbruchsituation funktionierten.

Es gibt erste Projekte, in denen mit einem biografischen Ansatz gearbeitet und danach gefragt wird, wie der rasante Wandel individuelle Lebensentwürfe veränderte.[66] Noch ist die Vorstellung davon, welche Hoffnungen und Befürchtungen die einzelnen Bürger*innen mit den Reformen verbanden, allgemein und schematisch. Über den Wertewandel, der sich in den verschiedenen Lebensbereichen, im Familienleben, im Berufsalltag und im öffentlichen Leben, vollzogen hat, ist bisher fast nur aus soziologischer Sicht geforscht worden.[67] Zu den Veränderungen im Medienkonsum, im Leseverhalten und in der Kommunikation[68] gibt es immer noch Untersuchungsbedarf. Studien im Bereich der Visual History fehlen fast noch völlig.[69]

Damit sind einige Forschungsfelder genannt, deren Bearbeitung helfen würde, die Perestroika als eine gesellschaftliche Umbruchphase zu verstehen. So berechtigt es ist, sie als letztes Kapitel des sozialistischen Gesellschaftsprojekts zu betrachten oder als Ausgangspunkt für die Entwicklungen der sowjetischen Nachfolgestaaten, so sollte sie auch als ein Zeitabschnitt mit einem Untersuchungswert an sich aufgefasst werden. Die Spannung zwischen Krise und Aufbruch, Hoffnung und Enttäuschung, Beharrung und Neuanfang, welche die ungeheure Energie der Perestroika ausmachte, lässt sich am besten in einer zeitlich abgegrenzten Betrachtung nachzeichnen.

Dafür müssen weitere Quellen zusätzlich zu den bisher genutzten erschlossen werden. Reden Gorbatschows, wegweisende Äußerungen sowjetischer Intellektueller, Wirtschaftsstatistiken und Parteitagsprotokolle sind von in- und ausländischen Sowjetunion-Expert*innen zeitnah ausgewertet worden.[70] In den letzten Jahren kamen als interessante und gerne genutzte Quellen die Tagebuchaufzeichnungen oder Erinnerungen von Personen hinzu, die den politischen und wirtschaftlichen Umbruch aktiv mitgestaltet haben.[71] Es gibt ein großes Massiv von Druckschriften und Flugblättern, das noch ausgewertet werden kann.[72] Hinzu kommen umfangreiche soziologische Daten, die in den späten 1980er-Jahren erhoben wurden und stärker unter historischen Fragestellungen bearbeitet werden sollten als bisher geschehen.[73] Die neuen Nachrichtenformate, die im russischen Fernsehen während der Perestroika entstanden, bieten reiches Material und werden nach und nach online zugänglich.[74] Verfügbar in russischen Archiven sind große Bestände von Briefen an Gorbatschow und Jelzin, aber ebenso an prominente Deputierte wie Andrei Sacharow oder Dimitrj Lichatschow sowie an Vertreter aus den verschiedenen Sowjetrepubliken.[75]

Gerade in der Ausdehnung der Forschung auf die Regionen der ehemaligen Sowjetunion liegt eine Herausforderung. Noch sind regionale Zeitungen, in denen die speziellen Themen einer Stadt oder einer Region besprochen wurden, wenig analysiert worden. Ergänzend dazu lässt sich in den regionalen Archiven und auch in Museen Material gesellschaftlicher Initiativen, von Wirtschaftsbetrieben, Zeitungsredaktionen und Parteiorganisationen finden. Es ist von großem Erkenntnisgewinn, zu benennen, welche Themen an verschiedenen Orten des Landes für die Bevölkerung eine solche Dringlichkeit bekamen, dass sie das Potenzial hatten, die Menschen politisch zu mobilisieren. Damit wäre es möglich, sich von einer auf Moskau zentrierten Sicht zu lösen, die Vielfalt der Probleme, Hoffnungen und Ambitionen besser zu beschreiben und auch die Abspaltung der Sowjetrepubliken nicht nur von den Bestrebungen nach nationaler Unabhängigkeit her zu verstehen.[76]

Ein anderer Perspektivenwechsel, der nicht Krisen, Mängel und Brüche, sondern Beständigkeit, Bewahren und Kontinuitäten in den Mittelpunkt rückt, ist als Korrektiv zum etablierten Verständnis ebenfalls sinnvoll. Es ist nach den staatlichen Strukturen zu fragen, die durch die Reformen wenig betroffen waren, wie beispielsweise das Militär und die Sicherheitsorgane, aber auch Erziehungsinstitutionen, wie Schule und Kindergarten. Die Betrachtung privater und öffentlicher Lebensbereiche oder Verhaltensweisen, die sich trotz äußeren Wandels wenig veränderten, wird helfen, die gesellschaftlichen Realitäten der Perestroika-Zeit besser auszuleuchten.[77]


 

Einstellungen zur Perestroika als politisches Bekenntnis und Frage des persönlichen Standpunkts

Bisher scheint es in Russland nur ein Buch zu geben, das die Aufbruchsstimmung, die während der Perestroika herrschte, ausführlich dokumentiert und zeigt, wie aus einer „Revolution von oben“ durch die Entwicklungen im Land eine „Revolution von unten“ wurde. Es handelt sich um einen wenig rezipierten, aber bemerkenswerten Band, den der Petersburger Zweig der Gesellschaft „Memorial“ herausgegeben hat. Unter dem Titel „Das gesellschaftliche Leben Leningrads in den Jahren der Perestroika“ stellten ehemalige Aktivist*innen der demokratischen Bewegung 2010 eine Chronologie zusammen, die sie mit Fotografien und Zeitzeugengesprächen ergänzten. Da bewusst Flugblätter und Interviews aus dem gesamten Spektrum der gesellschaftlich-politischen Bewegung gesammelt wurden, entsteht bei der Lektüre ein Eindruck von der Vielfalt der Erwartungen und der Gleichzeitigkeit, mit der verschiedenste Prozesse abliefen. Zugleich liest sich dieser Band wie ein politisches Bekenntnis zu Demokratie, Pluralismus und Meinungsfreiheit.[78] Die Perestroika erscheint als eine Periode des kreativen Aufbegehrens einer zuvor passiven Gesellschaft gegen eine stagnierende Staatsmaschine, gegen Engstirnigkeit und Bürokratismus.

Diese positive Deutung der letzten Phase der Sowjetunion, die in den 1990er-Jahren noch viele teilten, ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten unter der Regierung Wladimir Putins im öffentlichen Diskurs systematisch diskreditiert worden. Putin betrachtete seit Anfang seiner Präsidentschaft den Verlust des Staatsgebiets, unsichere Grenzen und weitere Ablösungen von Territorien als größte Gefahr für das Land.[79] 2005 deklarierte er in einer Rede zur Lage der Nation den Zusammenbruch der Sowjetunion als „größte geopolitische Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts“.[80] Daraus folgte die Betonung der Einheit und Sicherheit des Staats nach innen wie nach außen. Alles, was der Sicherheit potenziell schaden oder unkontrollierbare Prozesse in der Gesellschaft in Gang setzen könnte, gilt vor diesem Hintergrund als latent staatsfeindlich. In dieser Logik erscheint jemand, der die gesellschaftlichen Emanzipierungsbestrebungen der späten 1980er-Jahre befürwortet, als Aufrührer und Provokateur, der das Land erneut ins Chaos stürzen wolle. Wer hingegen die „gelenkte Demokratie“ Putins unterstützt, der kann nicht gleichzeitig die Reformpolitik Gorbatschows in einem positiven Licht sehen.

Die Spaltung der heutigen russischen Gesellschaft in Gegner und Unterstützer der Regierung wirkt sich somit unmittelbar auf die Beurteilung der 1980er- und 1990er-Jahre aus und verhindert einen sachlichen Umgang mit diesem jüngsten Abschnitt der Zeitgeschichte in Russland. Dies und der fehlende zeitliche Abstand sind vermutlich die Ursache dafür, dass sich russische Historiker*innen bisher wenig mit der Perestroika beschäftigt haben.[81] Je mehr das heutige politische System im Hinblick auf mangelnde Innovationskraft, Transparenz der Entscheidungsprozesse, fehlende Entwicklungschancen für seine Bürger*innen und repressive Methoden des Machterhalts an das sowjetische System erinnert, desto stärker wird die Perestroika als Modell des Aufbegehrens gegen den Staatsapparat und die herrschende Elite gesehen werden.

In den Staaten, die bis 1991 Sowjetrepubliken waren und jetzt selbstständig sind, erscheint die Perestroika dagegen in einem anderen Licht. Die „eigene“ Geschichte beginnt in diesen Ländern mit dem Ende der Sowjetunion. In den meisten Fällen betont sie eine starke Abgrenzung von Russland. Das betrifft besonders die Länder des Baltikums (Lettland, Litauen, Estland), die des Kaukasus (Armenien, Aserbaidschan, Georgien) sowie die Ukraine und Moldawien; weniger dagegen die Länder Mittelasiens (Kasachstan, Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan) und Belarus, die enger mit Russland zusammenarbeiten. In den ehemaligen Sowjetrepubliken verbindet sich die Zeit der Perestroika mit Gründungsmythen, die auf der Geschichte der jeweiligen Unabhängigkeitsbewegungen beruhen. Diese offizielle Geschichte deckt sich möglicherweise nicht mit den individuellen Geschichten der Bürger*innen, denen nationales Denken fremd gewesen sein mag, die vielleicht andere Vorstellungen von der künftigen Ordnung hatten als die, mit der sie sich jetzt zurechtfinden müssen. Deshalb wäre auch in diesen Ländern die Beschäftigung mit den Jahren der Perestroika als Regulativ zur aktuellen, die Gesellschaft stark polarisierenden Geschichtspolitik sinnvoll.

Viele im Westen lebende Sowjetunion- und Russlandhistoriker*innen verbinden eindrückliche persönliche Erinnerungen mit den stürmischen Jahren der Perestroika. Ganz Europa befand sich in einer Phase des Aufbruchs und des großen Zukunftsoptimismus. Konkret ergab sich damals für die westlichen Forscher*innen erstmals die Möglichkeit, mit Archivmaterialien vor Ort zu arbeiten. Ein Aufenthalt in dieser Zeit in der Sowjetunion bedeutete, „aktive Landeskunde“ zu betreiben, heute mitzuerleben, was morgen in der Zeitung stehen würde, in sowjetischen Küchen zu debattieren, Prognosen anzustellen, Freundschaften zu knüpfen, Arbeitsbeziehungen zu entwickeln.[82]

Für die sowjetischen Fachkolleg*innen bot sich die Gelegenheit, an westlichen Universitäten zu forschen; für viele bedeutete es die Entscheidung zur Emigration. In allen Fällen führt die persönliche Zeitzeugenschaft zu einer emotionalen, teils auch ideologischen Voreingenommenheit. Nach der hoffnungsvollen Aufbruchsstimmung spielen jetzt enttäuschte Erwartungen eine Rolle und verdüstern den Blick zurück. Der in wissenschaftlichen Arbeiten populär gewordene Begriff der „Katastroika“ spiegelt dies deutlich wider.[83] Jede Beschäftigung mit den Jahren der Perestroika und Glasnost muss deshalb mit der kritischen Selbstbefragung beginnen, damit diese kurze, aber ereignisreiche Epoche in ihrer Vielfalt gesehen werden kann. Neben dem Zusammenbruch der Ordnung und seinen dramatischen sozialen Folgen sollten auch der Modernisierungsschub, den die Reformen dem Land brachten, der Freiheitsgewinn des Einzelnen und die vielfältigen Möglichkeiten für eine Erneuerung angemessen betrachtet werden.

 

 

Anmerkungen

  1. Diese Einschätzung wie auch andere allgemeine Aussagen, die in diesem Artikel formuliert werden, beruhen auf einer Vielzahl von Erfahrungen, Beobachtungen und Gesprächen der Autorin im Rahmen von Forschungsprojekten und privaten Aufenthalten in der Sowjetunion und in Russland. Sie umfassen mehrmonatige Studienaufenthalte zwischen 1986 und 2007, einem neunjährigen Lebensabschnitt in Moskau zwischen 2001 und 2010 und zahlreichen Forschungsreisen seit 2010 vor allem nach St. Petersburg.
  2. Das Wort glasnost’ besteht aus der Wortwurzel glas und dem Suffix n-ost’. Glas kommt aus dem Altslawischen, wird im Russischen zu golos und bedeutet „Stimme, Rede“. Das Suffix dient der Substantivierung. Seit dem 19. Jahrhundert bedeutet glasnost’ den Vorgang, politisches Geschehen und das Verhalten von Amtspersonen öffentlich zu machen und damit Kontrolle auszuüben. Im juristischen Kontext steht glasnost’ für die Transparenz eines rechtlichen Verfahrens. Vgl. Čto takoe glasnost? [Was ist Glasnost?], in: The International Foundation for Socio-Economic and Political Studies (The Gorbachev Foundation), 30.04.20210, https://www.gorby.ru/presscenter/news/show_27411 [13.01.2021]; Michel Heller, Glasnost’ i „glasnost’“, in: Revue des études slaves 62 (1990), H. 3: Les médias en U.R.S.S. à l'heure de la Glasnost, sous la direction de Nora Buhks, S. 561-567.
  3. Die Persönlichkeit Michail Gorbatschows ist dagegen umstrittener. In Westdeutschland, wo es einen regelrechten „Gorbikult“ gab, hat er bis heute wenig von seiner Popularität eingebüßt. Vgl. Hermann Wentker, Die Deutschen und Gorbatschow. Der Gorbatschow-Diskurs im doppelten Deutschland 1985-1991, Berlin 2020; Corinna Kuhr-Korolev, Gorbimanie – Gorbiphobie. Rezeption Gorbatschows in Russland, in: decoder, 02.10.2019, https://www.dekoder.org/de/gnose/gorbatschow-rezeption-russland [13.01.2021].
  4. Beispielsweise forderte die belarussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch in einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ eine Bewusstseinsveränderung der Menschen, eine Perestroika, im Umgang mit Atomkraft, vgl. Swetlana Alexijewitsch, „Wir brauchen eine Perestroika“, in: Tagesspiegel, 08.10.2015, online unter https://www.tagesspiegel.de/kultur/literatur-nobelpreistraegerin-im-interview-swetlana-alexijewitsch-wir-brauchen-eine-perestroika/4071082.html [13.01.2021]; siehe auch Timothy Garton Ash, The West Needs its Own Perestroika Moment, in: Financial Times, 22.01.2019, online unter https://www-ft-com.eur.idm.oclc.org/content/dbb0081e-19bc-11e9-b191-175523b59d1d [13.01.2021].
  5. Vgl. Alexander Jakowlew, Die Abgründe meines Jahrhunderts. Eine Autobiografie, Leipzig 2003, S. 432-450.
  6. Archie Brown, Der Gorbatschow-Faktor. Wandel einer Weltmacht, Frankfurt a.M. 2000; ders., Seven Years that Changed the World. Perestroika in Perspective, Oxford/New York, NY, 2007.
  7. Siehe u.a. William Taubman, Gorbachev. His Life and Times, London u.a. 2017, deutsche Ausgabe: Gorbatschow. Der Mann und seine Zeit. Eine Biographie, München 2018; György Dalos, Gorbatschow. Mensch und Macht. Eine Biografie, München 2011; Mark Sandle, Gorbachev: Man of the Twentieth Century?, London 2008; George W. Breslauer, Gorbachev and Yeltsin as Leaders, Cambridge 2002; Moshe Lewin, The Gorbachev Phenomenon. A Historical Interpretation, Berkeley, CA, 1991; Gerd Ruge, Michail Gorbatschow. Biographie, Frankfurt a.M. 1990; Zhores Medwedjew, Der Generalsekretär Michail Gorbatschow. Eine politische Biographie, Darmstadt 1986.
  8. Michail Gorbatschow, Glasnost. Das neue Denken, Berlin ²1989; ders., Perestroika. Die zweite russische Revolution. Eine neue Politik für Europa und die Welt, München 1987.
  9. Michail Gorbatschow, Erinnerungen, Berlin 1995.
  10. Auf der Seite der Stiftung findet sich eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten und Texten: https://www.gorby.ru/ [13.01.2021].
  11. Siehe u.a. Eduard Schewardnadse, Die Zukunft gehört der Freiheit, Reinbek bei Hamburg 1991; Georgi Schachnasarow, Preis der Freiheit. Eine Bilanz von Gorbatschows Berater, Bonn 1996; Anatolij Černaev, Sovmestnyj ischod, 1972-1991 gody [Gemeinsamer Auszug, 1972-1991], Moskau 2008; Jakowlew, Abgründe; Raissa Gorbatschowa, Leben heißt hoffen. Erinnerungen und Gedanken, Bergisch Gladbach 1991.
  12. Boris Jelzin, Aufzeichnungen eines Unbequemen, München 1990.
  13. Jegor Ligatschow, Wer verriet die Sowjetunion?, (redaktionell leicht gekürzte Ausgabe) Berlin 2012.
  14. Vgl. Susanne Schattenberg, Von Chruščev zu Gorbačev – Die Sowjetunion zwischen Reform und Zusammenbruch, in: Neue Politische Literatur 55 (2010), S. 255-284, bes. S. 268; Robert English, Russia and the Idea of the West, New York 2000.
  15. Vgl. Jan C. Behrends, Michail Gorbatschow. Reformer aus Leidenschaft, Zerstörer wider Willen, in: Martin Sabrow/Susanne Schattenberg (Hrsg.), Die letzten Generalsekretäre. Kommunistische Herrschaft im Spätsozialismus, Berlin 2018, S. 248-270.
  16. Vgl. Schachnasarow, Preis der Freiheit, S. 31-40.
  17. Vgl. Corinna Kuhr-Korolev, Gerechtigkeit und Herrschaft. Von der Sowjetunion zum neuen Russland, Paderborn 2015, S. 93-108.
  18. Vgl. Klaus Gestwa, Von der Perestroika zur Katastroika – Michail Gorbatschow und der Zerfall des Sowjetimperiums (Teil 1), in: Einsichten und Perspektiven Heft 1 (2016), S. 16-33, online unter https://www.km.bayern.de/epaper/LZ/EuP/2016_1/files/assets/basic-html/page-22.html# [13.01.2021]; Maria Huber, Moskau, 11. März 1985 – Die Auflösung des sowjetischen Imperiums, München 2002; Yegor T. Gaidar, Collapse of an Empire. Lessons for Modern Russia, Washington, D.C 2007; Philip Hanson, The Rise and Fall of the Soviet Economy. An Economic History of the USSR from 1945-1991, London 2014; Hans-Hermann Höhmann, Chaos oder neue Ordnung? Wirtschaftskrise und wirtschaftspolitische Neuorientierung in der ehemaligen UdSSR, Köln 1991; Chris Miller, The Struggle to Save the Soviet Economy: Mikhail Gorbachev and the Collapse of the USSR, Chapel Hill 2016; Philip Hanson, From Stagnation to Catastroika: Commentaries on the Soviet Economy, 1983-1991, Praeger 1992.
  19. Weiterführende Literatur zur Frage, ob das sowjetische System reformierbar war, vgl. die Anmerkungen ab Fußnote 45.
  20. Die Anti-Alkohol-Kampagne findet in jeder Darstellung zur Perestroika Erwähnung. Ein journalistischer Artikel hat sich den Plakaten der Kampagne gewidmet: Benjamin Bidder, Hammer und Pichel, in: Spiegel, 28.02.2011, online unter https://www.spiegel.de/geschichte/anti-alkoholplakate-in-der-sowjetunion-a-947088.html [13.01.2021].
  21. Vgl. Olga Kryštanovskaja, Anatomija rossijskoj ėlity [Anatomie der russischen Elite], Moskau 2005, S. 294-318.
  22. Vorentwürfe, das abschließende Dokument des 430-seitigen Programms mit dem Titel „Perechod k rynku“ [Übergang zum Markt], zeitgenössische Stellungnahmen, Reden und Interviews der Beteiligten sowie nachträglich erschienene Fachliteratur finden sich unter: https://web.archive.org/web/20080108164408/http://www.yabloko.ru/Publ/500/index.html [13.01.2021]; deutsche Übersetzung: Grigorij Jawlinskij/Stanislaw Schatalin, 500 Tage zur Marktwirtschaft. Die Pläne der Reform-Ökonomen, Düsseldorf 1991.
  23. Nikolai Ryschkow, Mein Chef Gorbatschow. Die wahre Geschichte eines Untergangs, Berlin 2013.
  24. Vgl. Klaus Heller, Russlands wilde Jahre. Der neue Kapitalismus in der Ära Jelzin, Paderborn 2016, S. 158-171; Henrik Bischof, Das Ende der Perestroika? Systemkrise in der Sowjetunion, Bonn 1991.
  25. Vgl. Aleksandr Šubin, Predannajia Demokratiia: SSSR i neformaly (1986-1989ee g.g) [Die verratene Demokratie. Die UdSSR und die Neformaly], Moskau 2006; Vladimir I. V’junickij (Hrsg.), Neformaly. Kto oni? Kuda zovut? [Neformaly. Wer sind sie? Wozu rufen sie auf?], Moskau 1990. Als neformaly, „Nichtformelle“, „Alternative“, bezeichneten in der späten Sowjetunion staatliche Stellen Gruppierungen und Mitglieder der verschiedenen jugendlichen Subkulturen wie Punks, Rocker, Hippies u.a. In der Perestroika neu gegründete, aber nicht offiziell registrierte politische Gruppierungen wurden ebenfalls als neformaly bezeichnet. Die Milieus der jugendlichen Subkultur und der neuen politischen Bewegungen überschnitten sich allerdings kaum. 
  26. Vgl. Helmut Altrichter, Russland 1989. Der Untergang des sowjetischen Imperiums, München 2009.
  27. Vgl. Johannes Grotzky, Tschernobyl – Die Katastrophe. Zeitgenössische Berichte, Kommentare, Rückblicke, Norderstedt 2018; Franz-Josef Brüggemeier, Tschernobyl, 26. April 1986. Die ökologische Herausforderung, München 1998.
  28. Aus der Masse der zeitgenössischen Publikationen vgl. beispielsweise: Christian Schmidt-Häuer/Mária Huber, Russlands zweite Revolution. Chancen und Risiken der Reformpolitik Gorbatschows, München 1987, S. 35-142; Gert Meyer (Hrsg.), Wir brauchen die Wahrheit. Geschichtsdiskussion in der Sowjetunion, Köln 1988; Juri Afanassjew (Hrsg.), Es gibt keine Alternative zu Perestroika: Glasnost, Demokratie, Sozialismus. Dreißig aktuelle Beiträge aus der Sowjetunion, Nördlingen 1988; Walter Laqueur, Der lange Weg zur Freiheit. Rußland unter Gorbatschow, Frankfurt a.M. 1989.
  29. Siehe Katja Doose, Tektonik der Perestroika. Das Erdbeben und die Neuordnung Armeniens, 1985-1998, Köln 2019.
  30. Vgl. Dietrich Geyer (Hrsg.), Die Umwertung der sowjetischen Geschichte, Göttingen 1991; Elke Fein, Geschichtspolitik in Russland. Chancen und Schwierigkeit einer demokratisierenden Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit am Beispiel der Tätigkeit der Gesellschaft Memorial, Münster 2000.
  31. Vgl. Gerhard Simon, Nationalismus und Nationalitätenpolitik in der Sowjetunion. Von der totalitären Diktatur zur nachstalinschen Gesellschaft, Baden-Baden 1986.
  32. Siehe dazu: Keiji Sato, Die Molotow-Ribbentrop-Kommission 1989 und die Souveränitätsansprüche post-sowjetischer sezessionistischer Territorien, in: Anna Kaminsky/Dietmar Müller/Stefan Troebst (Hrsg.), Der Hitler-Stalin-Pakt 1939 in den Erinnerungskulturen der Europäer, Göttingen 2011, S. 199-215.
  33. Vgl. Statista, Verteilung der Bevölkerung der UdSSR nach Nationalitäten in den Jahren 1979 und 1989, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/944617/umfrage/bevoelkerung-der-udssr-nach-nationalitaeten/ [13.01.2021]. Vgl. auch Andreas Kappeler, Rußland als Vielvölkerreich. Entstehung – Geschichte – Zerfall, München 1992.
  34. Vgl. Serhii Plokhy, The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union, London 2015; Jan Zofka, Postsowjetischer Separatismus. Die pro-russländischen Bewegungen im moldauischen Dnjestr-Tal und auf der Krim 1989-1995, Göttingen 2015; Hélène Carrère d‘Encausse, La gloire des nations ou la fin de l‘Empire soviétique, Paris 1991.
  35. Dazu: Tolganaj Umbetalieva, Der „Schneesturm“ in Alma-Ata vom Dezember 1986, in: Religion und Gesellschaft in Ost und West (2014), H. 8, S. 18-19.
  36. Vgl. Thomas de Waal, Black Garden. Armenia and Azerbaijan through Peace and War, New York 2003; Tessa Hofmann, Armenien und der Zerfall der UdSSR, in: Martin Malek/Anna Schor-Tschudnowskaja (Hrsg.), Der Zerfall der Sowjetunion. Ursachen – Begleiterscheinungen – Hintergründe, Baden-Baden 2013, S. 381-402; Katja Doose, Krieg im Kaukasus. Der Konflikt um Nagorno-Karabach und seine Hintergründe, in: Zeitgeschichte-online, November 2020, https://zeitgeschichte-online.de/kommentar/krieg-im-kaukasus [13.01.2021].
  37. Sängerfeste und Musikfestivals unter freiem Himmel hatten in Lettland, Litauen und Estland eine Tradition, die in die 1920er-Jahre zurückreichte und auch in sowjetischer Zeit nicht abriss. In der Perestroika wurden die in der UdSSR verbotenen Hymnen der Zwischenkriegszeit angestimmt, sodass das Singen zu einem Akt der nationalen Selbstvergewisserung und der Opposition wurde. Vgl. Guntis Šmidchens, The Power of Song. Nonviolent National Culture in the Baltic Singing Revolution, Seattle 2014.
  38. Vgl. Romuald J. Misiunas/Rein Taagepera, The Baltic States. Years of Dependence 1940-90, London ²2006; Anatol Lieven, The Baltic Revolution. Estonia, Latvia, Lithuania and the Path to Independence, New Haven 1993.
  39. Vgl. Jonathan Wheatley, Georgia from National Awakening to Rose Revolution, London/New York 2017; Alexander Mikaberidze, The Rise of the Independent Georgia. Tbilisi Massacre of 9 April, 1989, https://web.archive.org/web/20040123224819/http://rustaveli.tripod.com/cgi-bin/9aprili.htm [13.01.2021].
  40. Vgl. Walter Laqueur, Der Schoß ist fruchtbar noch. Der militante Nationalismus der russischen Rechten, München 1993; Hildegard Kochanek, Die russisch-nationale Rechte von 1968 bis zum Ende der Sowjetunion. Eine Diskursanalyse, Stuttgart 1999; Frank Golczewski/Gertrud Pickhan/Nermina Halač, Russischer Nationalismus. Die russische Idee im 19. und 20. Jahrhundert; Darstellung und Texte, Göttingen 1998.
  41. Vgl. Yitzhak M. Brudny Reinventing Russia. Russian Nationalism and the Soviet State, 1953-1991, Cambridge, 1998, S. 192-258; Geoffrey Hosking, Rulers and Victims. The Russians in the Soviet Union, Cambridge, Mass., 2006, S. 338-403.
  42. Überblick bei Manfred Görtemaker, Die demokratische Revolution in Osteuropa, in: Informationen zur politischen Bildung, H. 245, 09.07.2004, https://www.bpb.de/izpb/10355/die-demokratische-revolution-in-osteuropa [13.01.2021].
  43. Vgl. dazu Josef Holik, Die Rüstungskontrolle. Rückblick auf eine kurze Ära, Berlin 2008.
  44. Siehe u.a. „Extremes Maß an Instinktlosigkeit“, in: Der Spiegel, 27.10.1986, online unter https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13521510.html [13.01.2021].
  45. Vgl. Wentker, Die Deutschen. Die zunehmende Enttäuschung über Gorbatschow in Russland spiegelt sich besonders deutlich in dem Tagebuch seines Beraters Anatoli Tschernajew: Černaev, Sovmestnyj ischod.
  46. Aus der umfangreichen Literatur: Mary Elise Sarotte, 1989. The Struggle to Create Post-Cold War Europe, Princeton, NJ 2009; Aleksandr Galkin/Anatolij Tschernjajew (Hrsg.), Michail Gorbatschow und die deutsche Frage. Sowjetische Dokumente 1986-1991, München 2011.
  47. Vgl. Torsten Diedrich/Winfried Heinemann/Christian F. Ostermann (Hrsg.), Der Warschauer Pakt. Von der Gründung bis zum Zusammenbruch 1955 bis 1991, Berlin 2009.
  48. Vgl. Yuliya von Saal, KSZE-Prozess und Perestroika in der Sowjetunion. Demokratisierung, Werteumbruch und Auflösung 1985-1991, München 2014.
  49. Die Entwicklung im Einzelnen lässt sich gut an den zeitnah entstandenen Dokumentationen des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien nachvollziehen: BIOst (Hrsg.), Sowjetunion 1986/87. Ereignisse, Probleme, Perspektiven, München/Wien 1987; BIOst (Hrsg.), Sowjetunion 1988/89. Perestroika in der Krise?, München/Wien 1989; BIOst (Hrsg.), Sowjetunion 1990/91. Krise – Zerfall – Neuorientierung, München/Wien 1991.
  50. Vgl. Daniel J. Walkowitz/Lewis H. Siegelbaum, Workers of the Donbass Speak. Survival and Identity in the New Ukraine, 1989-1992, Albany 1995.
  51. Vgl. Ignaz Lozo, Der Putsch gegen Gorbatschow und das Ende der Sowjetunion, Köln 2014.
  52. Vgl. dazu u.a.: Aleksandr Bezborodov/Natalya Eliseeva/Vladimir Shestakov, Perestroika i krach SSSR. 1985-1993 [Die Perestroika und der Zusammenbruch der UdSSR], Moskau 2010; Brown, Seven Years that Changed the World; Gestwa, Von der Perestroika zur Katastroika; Graeme J. Gill, The Collapse of a Single-Party System. The Disintegration of the Communist Party of the Soviet Union, Cambridge 1994; Vladislav M Zubok, A Failed Empire. The Soviet Union in the Cold War from Stalin to Gorbachev, Chapel Hill 2007; Helmut Altrichter, Der Zusammenbruch der Sowjetunion 1985-1991, in: Manfred Hellmann/Stefan Plaggenborg (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Russlands. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion; Bd. 5, Stuttgart 2002, S. 519-593.
  53. Aus journalistischer Sicht: David Remnick, Lenin’s Tomb: The Last Days of the Soviet Empire, New York 1994; David Satter, Age of Delirium: The Decline and Fall of the Soviet Union, New York 2001; Nancy Traver, Kife: The Lives and Dreams of Soviet Youth, New York 1989; Christian Neef, Ein Land in Bewegung: Berichte zur Perestroika 1985-1989, Berlin 1990. 
  54. Vgl. Roland Götz, Die Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur der UdSSR als Determinante der Perestroika, Köln 1994; Margareta Mommsen, Wohin treibt Russland? Eine Großmacht zwischen Anarchie und Demokratie, München 1996; Kerstin Holm, Das korrupte Imperium. Bericht aus Rußland, München 2006.
  55. Vgl. Plaggenborg/Hellmann (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Russlands; Brown, Seven Years that Changed the World; Rudolf G. Pichoja, Istorija gosudarstvennogo upravlenija v Rossii [Geschichte der staatlichen Steuerung in Russland], 4. Aufl., Moskau 2009.
  56. Vgl. Roland Götz, Die Wirtschafts- und Gesellschaftsstruktur der UdSSR als Determinante der Perestroika, Köln 1994; Yegor Gaĭdar, Collapse of an Empire. Lessons for Modern Russia, Washington, D.C, 2007, S. 111; Douglas B. Reynolds, Soviet Economic Decline. Did an Oil Crisis Cause the Transition in the Soviet Union?, in: The Journal of Energy and Development 24 (1998), H. 1, S. 65-82.
  57. Vgl. Oleg Chlevnjuk, Den’ novych cen. Krisis snabženija i rossijskoe obščestvo na rubeže 1980-1990-ch gg. [Tag der neuen Preise. Versorgungskrise und die russische Gesellschaft in der Wende der 1980-1990 Jahre], in: Rossijskaja istorija 2 (2019), S. 52-70; Luise Althanns, McLenin Die Konsumrevolution in Russland, Bielefeld 2009.
  58. Vgl. Stefan Plaggenborg, „Entwickelter Sozialismus“ und Supermacht 1964-1985, in: Plaggenborg/Hellmann (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Russlands, S. 319-518, hier S. 490-518.
  59. Vgl. Kuhr-Korolev, Gerechtigkeit und Herrschaft, S. 93-141.
  60. Vgl. Hannes Adomeit, Imperial Overstretch: Germany in Soviet Policy from Stalin to Gorbachev. An Analysis Based on new Archival Evidence, Memoirs, and Interviews, Baden-Baden ²2016, online unter https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/30567/645342.pdf;jsessionid=38059E8F4C37E0E86623B3BCBE239719?sequence=1 [13.01.2021].
  61. Stephen Kotkin, Armageddon Averted. The Soviet Collapse, 1970-2000, Oxford 2008.
  62. Alexei Yurchak, Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton, NJ 2005.
  63. Vgl. Andrea Chandler, Shocking Mother Russia. Democratization, Social Rights, and Pension Reform in Russia, 1990-2001, Toronto ²2014; Tatjana Eggeling, „Wie leben?“ Jugend in der Perestroika. Eine Zeit gesellschaftlicher Neuorientierung in Leserbriefen, Hamburg 1999; Stephen Kotkin, Steeltown, USSR: Soviet Society in the Gorbachev Era, Berkeley 1992; Chlevnjuk, Den' novych cen.
  64. Siehe I. Ju. Novičenko, Obščestvennye organizacii v Moskve (1950-2000-e gody): Formal’nye i neformal’nye praktiki [Gesellschaftliche Organisationen in Moskau (1950er-2000er Jahre): Formelle und informelle Praktiken], in: Leonid Iosifovič Borodkin (Hrsg.), „Sovetskoe nasledstvo“. Otraženie prošlogo v social’nych i ėkonomičeskich praktikach sovremennoj Rossii [„Das sowjetische Erbe“. Die Widerspiegelung des Vergangenen in den sozialen und wirtschaftlichen Praktiken des gegenwärtigen Russlands], Moskau 2010, S. 76-158.
  65. Siehe dazu: Ol’ga V. Kryštanovskaja, Anatomija rossijskoj ėlity [Die Anatomie der russischen Elite], Moskau 2004; Cécile Vaissié, Le clan Mikhalkov: Culture et pouvoirs en Russie (1917-2017), Rennes 2019; Alena V. Ledeneva, Russia’s Economy of Favours. Blat, Networking and Informal Exchange, Cambridge 1998.
  66. Zum Beispiel: Cogita!ru, Ženščiny v perestrojke, [Frauen in der Perestroika], in: Cogita!.ru, 30.01.2018, http://www.cogita.ru/restructuring/intervyu/zhenschiny-v-perestroike [13.01.2021].
  67. Die Studie von Jurij A. Levada (Hrsg.), Die Sowjetmenschen 1989-1991. Soziogramm eines Zerfalls, Berlin 1992, sei an dieser Stelle für die umfangreiche Forschung des Levada-Zentrums genannt. Siehe auch René Ahlberg, Sowjetgesellschaft im Epochenwandel. Studien zur Selbstaufklärung der sowjetischen Gesellschaft in der Zeit der Perestroika, 1985-1990, Bern 1992.
  68. Siehe Nancy Ries, Russian Talk. Culture and Conversation during Perestroika, Ithaca, NY 1997; John Murray, The Russian Press from Brezhnev to Yeltsin: Behind the Paper Curtain, Cheltenham 1994; Thomas Remington, The Truth of Authority: Ideology and Communication in the Soviet Union, Pittsburgh 1988; Scott Shane, Dismantling Utopia: How Information Ended the Soviet Union, Chicago 1994; Ellen Mickiewiecz, Changing Channels: Television and the Struggle for Power in Russia, Durham 1999; Reino Paasilinna, Glasnost and Soviet Television, Finnish Broadcasting Company, Helsinki 1995; Thomas C. Wolfe, Governing Soviet Journalism: The Press and the Socialist Person after Stalin, Bloomington 2005; George Faraday, Revolt of the Filmmakers: The Struggle for Artistic Autonomy and the Fall of the Soviet Film Industry, Pennsylvania 2010.
  69. Vgl. Klaus Waschik/Nina Baburina, Werben für die Utopie. Russische Plakatkunst des 20. Jahrhunderts, Bietigheim-Bissingen 2003, S. 302-353. Zu diesem Band vgl. die zugehörige umfangreiche Datenbank mit sowjetischen und russischen Plakaten unter http://russianposter.ru [13.01.2021].
  70. Einen guten Überblick über die Literatur bietet: Klaus Segbers, Transformationen in Osteuropa. Handreichungen aus politikwissenschaftlicher Sicht, Internet-Version, Heft 1/1997-2001, Berlin 2001, https://www.oei.fu-berlin.de/politik/publikationen/AP01.pdf [13.01.2021].
  71. Neben den bereits erwähnten Erinnerungen der Mitstreiter und Konkurrenten Gorbatschows vgl. auch die Interviews mit den ehemaligen 1. Parteisekretären der Sowjetrepubliken: Arkadij J. Dubnov, Počemu raspalsja SSSR. Vspominajut rukovoditeli sojuznych respublik [Warum ist die UdSSR zusammengebrochen. Es erinnern sich die Führer der Sowjetrepubliken], Moskau 2019. Darüber hinaus liegt eine umfangreiche Memoirenliteratur bekannter Persönlichkeiten vor. Zu beachten ist auch das Tagebuchprojekt: Prožito, Ličnye istorii v ėlektronnom korpuse dnevnikov [Gelebt. Private Geschichten im elektronischen Bestand von Tagebüchern], https://prozhito.org/ [13.01.2021].
  72. Umfangreiche Bestände befinden sich im Archiv der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen (https://www.forschungsstelle.uni-bremen.de/de/9/20110606113229/Archiv_Bibliothek.html) und in der Library of Congress, Washington (https://catalog.loc.gov/vwebv/holdingsInfo?searchId=274&recCount=25&recPointer=0&bibId=16732411; Findbuch: https://www.loc.gov/rr/european/bibs/sip.html). Die Gesellschaft Memorial verfügt über umfangreiche Bestände in ihrem Moskauer Archiv und in der ehemaligen St. Petersburger Abteilung, heute Fond Iofe, hier vor allem das sogenannte Alekseevskij Archiv, Fond Iofe, St. Petersburg, http://memorial-nic.org/alarch [alle 13.01.2021].
  73. Siehe Edinyj Archiv Ėkonomičeskich i Soziologičeskich Dannych, EAĖSD [Gesammeltes Archiv der ökonomischen und soziologischen Daten], http://sophist.hse.ru/ [13.01.2021]; Dmitriy V. Maslov, Čelovek i reformy v sovremennoj otečestvennoj istorii. People and Reforms in Modern Russian History, in: Bulletin of the MSRU (History and Political Science) 2019, S. 73-85; zeitgenössisch ist die soziologische Studie von David Stuart Lane, Soviet Society under Perestroika, London 1992.
  74. So z.B.: Radio Free Europe/Radio Liberty Research Institute, Soviet and Russian Television Monitoring. http://www.osaarchivum.org/film-catalog/300-81-9 [13.01.2021].
  75. Siehe z.B. GARF, Kollekcija pisem B. n. El`cinu, 1989-1991 [Sammlung von Briefen an B.N. Jelzin, 1989-1991]; GARF, Fond 10007, Opis 1, Kollekcija pisem i telegramm narodnym deputatam SSSR, opis 1 za 1989-1991gg. [Sammlung von Briefen und Telegrammen an die Volksdeputierten der UdSSR, Findbuch 1 für 1989-1991].
  76. Vgl. Mark R. Beissinger, Nationalism and the Collapse of Soviet Communism, in: Journal of Contemporary European History 18 (2009), H. 3, S. 331-347; Sergei Alymov, Perestroika v rossiiskoi glubinke [Perestroika in der russischen Provinz], in: Antropologicheskii forum no. 15 (2011), S. 109-129, engl. Version online unter https://anthropologie.kunstkamera.ru/files/pdf/eng008/alymov.pdf [13.01.2021].
  77. Siehe dazu bereits: Borodkin, Sovetskoe nasledstvo; Mark R. Beissinger/Stephen Kotkin (Hrsg), Historical Legacies of Communism in Russia and Eastern Europe, New York 2014; Dmitri N. Shalin, Russian Culture At The Crossroads: Paradoxes Of Postcommunist Consciousness, New York 2018. Das internationale Forschungsprojekt „Legacies of Communism“ am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam, an dem auch die Autorin dieses Artikels beteiligt ist, verfolgt diesen Ansatz: https://legacies-of-communism.eu/ [13.01.2021].
  78. Ol’ga Nikolaevna Ansberg/Ju. D. Margolis (Hrsg.), Obščestvennaja žizn’ Leningrada v gody perestrojki. 1985-1991. Sbornik materialov [Das gesellschaftliche Leben Leningrads in den Jahren der Perestroika. 1985-1991. Materialband], Sankt Petersburg 2009.
  79. Vgl. Vladimir Vladimirovič Putin/Natalija Pavlovna Gevorkjan, Ot pervogo lica. Razgovory s Vladimirom Putinym [Von der ersten Person. Gespräche mit Vladimir Putin], Moskau 2000.
  80. Zitiert nach: Ulrich M. Schmid, Der Bankrott eines Systems, in: Neue Zürcher Zeitung, 25.12.2016, https://www.nzz.ch/international/aufloesung-der-sowjetunion-vor-25-jahren-der-bankrott-eines-systems-ld.136566 [13.01.2021].
  81. Die Zeitschrift „Rossijskaja Istorija“ hat in Heft 2/2019 eine Diskussion über die Periodisierung der Perestroika und neue Konzeptionen zu ihrer Erforschung angestoßen: Rudolf Pichoja, О pereodizacii sistemnogo krizisa Sovetskogo Sojuza [Über die Periodisierung der Systemkrise der Sowjetunion], S. 3-29; Sergej Žuravlev, Poka bol‘še voprosov, čem otvetov [Bisher gibt es mehr Fragen als Antworten], S. 47-51; Aleksander Shubin, Osnovnye problemy i ėtapy istorii perestrojki [Grundlegende Probleme und Etappen der Geschichte der Perestroika], S. 39-47; Vladislav Zubok, Krizis, reformy i razrušenie SSSR [Krise, Reformen und Zerfall der UdSSR], S. 30-39.
  82. Die Autor*innen des Bandes von Katharina Kucher/Gregor Thum/Sören Urbansky (Hrsg.), Stille Revolutionen. Die Neuformierung der Welt seit 1989, Frankfurt a.M. 2013, verdeutlichen die enge Verbindung von Wissenschaft und persönlicher Erfahrung. Siehe auch die Rezension dazu: Natali Stegmann, Rezension zu: Kucher, Katharina; Thum, Gregor; Urbansky, Sören (Hrsg.): Stille Revolutionen. Die Neuformierung der Welt seit 1989, Frankfurt a.M. 2013, in: H-Soz-Kult, 05.07.2013, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-19254 [13.01.2021].
  83. Vgl. Gestwa, Von der Perestroika; Hanson, From Stagnation.
Empfohlene Literatur zum Thema

Olʹga Nikolaevna Ansberg/Ju. D. Margolis (Hrsg.), Obščestvennaja žiznʹ Leningrada v gody perestrojki. 1985-1991. Sbornik materialov, [Das gesellschaftliche Leben Leningrads in den Jahren der Perestroika. 1985-1991. Materialband], Sankt Petersburg 2009

Archie Brown, Seven Years that Changed the World. Perestroika in Perspective, Oxford 2007

Manfred Hellmann/Stefan Plaggenborg (Hrsg.), Handbuch der Geschichte Russlands, 6 Bd., Stuttgart 1981-2004

Stephen Kotkin, Armageddon Averted. The Soviet Collapse, 1970-2000, Oxford 2008

Jurij A. Levada (Hrsg.), Die Sowjetmenschen 1989-1991. Soziogramm eines Zerfalls, Berlin 1992

Serhij Plochij, The Last Empire. The Final Days of the Soviet Union, London 2016

Alexei Yurchak, Everything Was Forever, Until It Was No More. The Last Soviet Generation, Princeton 2006

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