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Knud Andresen

Gewerkschaftsgeschichte

Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 26.08.2021
https://docupedia.de//zg/Andresen_gewerkschaftsgeschichte_v1_de_2021

DOI: https://dx.doi.org/10.14765/zzf.dok-2307

Artikelbild: Gewerkschaftsgeschichte

In den 1980er-Jahren wurde die „Flexibilisierung“ der Arbeitszeit zu einem wichtigen gesellschaftlichen Thema in der Bundesrepublik. Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) versuchte mit Streiks, die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten zu verhindern. Foto: Paul Glaser Pressefoto ©, 21. Juni 1988. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie (AdsD/6/FOTB008695)

Gewerkschaften sind bis heute als Selbstorganisationen und Interessenvertretungen der Arbeiterschaft ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Sie waren vor allem im 19. und 20. Jahrhundert bedeutende historische Akteure der Vorgeschichte der Gegenwart. Knud Andresen bietet in seinem Artikel einen Überblick zur Entwicklung der Gewerkschaften mit Schwerpunkt auf Deutschland, besonders der Bundesrepublik ab 1945, aber auch mit Seitenblicken auf die Gewerkschaftsgeschichte der DDR, und der internationalen Verbünde. Verschiedene sozialwissenschaftliche und historiografische Deutungen werden dargestellt und damit das Forschungsfeld skizziert. Auch nach systematischen Potenzialen der zeitgeschichtlichen Gewerkschaftsgeschichte wird gefragt.

Gewerkschaftsgeschichte

von Knud Andresen


Einleitung

Als Willi Bleicher, der langjährige Bevollmächtigte des IG Metall-Bezirks Stuttgart, am 29. Juni 1981 in Bad Cannstatt beerdigt wurde, ruhte in vielen größeren Metallbetrieben Baden-Württembergs die Arbeit. Die Beschäftigten ehrten so einen bekannten Gewerkschaftsfunktionär, der bald mit dem Signum des „letzten großen Arbeiterführers“ versehen wurde.[1] Bereits 1981 hatte eine solche Ehrung etwas von einer Reminiszenz an vergangene politische Hochphasen der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, die von männlicher Industriefacharbeit geprägt gewesen war. Gewerkschaften galten bald nicht wenigen als „Dinosaurier der Industriegesellschaft“, denen seit den 1980er-Jahren Krise und Niedergang attestiert und prophezeit wurde.[2]

Die eigentlich interessante Frage ist daher, warum trotz vielerlei Krisensymptome Gewerkschaften im 21. Jahrhundert noch existieren und es zeitgeschichtlich notwendig ist, Gewerkschaftsgeschichte nicht nur, aber auch als Vorgeschichte der Gegenwart zu verstehen. Dabei rückt ein Transformationsprozess in den Blick, in dem Gewerkschaften institutionalisierte Akteure der Arbeitswelten blieben, aber als politische und lebensweltliche Repräsentanten eines spezifischen sozialen Milieus erheblich an Bedeutung verloren. Jürgen Kocka hat diese Entwicklung auch als gewerkschaftlichen Erfolg beschrieben: Die „Arbeiterbewegung ist nicht verschwunden, aber sie ist eingemeindet, normalisiert worden. Man sollte dies nicht nur als Verlust begreifen.“[3]

Was aber waren und sind Gewerkschaften? Sie entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in allen sich industrialisierenden Gesellschaften als Vereinigungen der abhängig Beschäftigten, um gemeinsame Interessen zu sichern und durchzusetzen. Politisch waren sie vielfältig: Sozialreformerische und christliche Gewerkschaften entstanden ebenso wie sozialistische, wobei letztere in fast allen europäischen Ländern die zahlenmäßig größten Verbände stellten und das Bild der Gewerkschaften als Teil der Arbeiterbewegung prägten. Wahrnehmungen und Selbstverständnisse changierten zwischen Klassenkampf und Arbeitsmarktpartei, zwischen Revolution und Sozialreform. Sozial dominierten männliche Facharbeiter die Gewerkschaften; Frauen, Jugendliche und Angestellte hatten lange einen geringeren Organisationsgrad. Teil des Wandlungsprozesses seit dem späten 20. Jahrhundert war daher ein geändertes Sozialprofil bei abnehmendem Organisationsgrad aller Erwerbstätigen.[4]

Abgenommen haben auch in fast allen europäischen Ländern die Bindungen an politische Parteien.[5] Gewerkschaftsgeschichte geht auch aus diesem Grunde nicht vollständig in der politischen Arbeiterbewegung auf, auch wenn die Gewerkschaften mehr noch als die Sozialdemokratie als deren politischer Nachlassverwalter auftreten.[6] Die Organisationsform der politischen Richtungsgewerkschaft dominiert in den romanischen Ländern bis in die Gegenwart, im angelsächsischen Raum ist dagegen die Berufsgewerkschaft weit verbreitet, während in Deutschland bereits in der Weimarer Republik eine Zusammenarbeit zwischen den Richtungsgewerkschaften begann und nach dem Nationalsozialismus die „Einheitsgewerkschaft“ mit parteipolitischer Neutralität umgesetzt wurde, wie auch in den nordeuropäischen Ländern oder Österreich.

In seiner geschichtswissenschaftlichen Definition benennt Michael Schneider folgende Kriterien für Gewerkschaften: „[a]uf dauerhaften Bestand angelegte, nach demokratischen Prinzipien aufgebaute Organisationen von freiwillig beigetretenen Arbeitnehmern, die damit selbständig, d.h. unabhängig von Arbeitgebern, Staat, Kirche und politischen Parteien, ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Interessen, u.a. mit dem Mittel des Streiks, vertreten.“[7] Definitorische Schwierigkeiten bereiten vor allem staatliche Zwangsorganisationen wie die Deutsche Arbeitsfront (DAF) oder Staatsgewerkschaften, wie der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) in der DDR, in den sozialistischen Ländern,[8] in einer dogmatischen Lesart auch kirchlich dominierte oder von Arbeitgebern gegründete Organisationen (sogenannte gelbe Gewerkschaften).[9] Obwohl sie als Organisationsakteure in den Arbeitswelten sozialgeschichtlich von großer Bedeutung sein können, entfallen Merkmale wie Freiwilligkeit, autonome Strategiefindung und Arbeitskampfmöglichkeiten. Dauerhaftigkeit grenzt zudem spontane Arbeitskonflikte wie wilde Streiks ab.[10]

Gewerkschaftsgeschichte fragt also danach, wie sich abhängig Beschäftigte organisierten, wie sie ihre politischen und sozialen Interessen kollektiv formulierten, wie das Verhältnis zwischen Mitgliedschaft und Führungsgruppen war – und schließlich welche lebensweltlichen Bedeutungen die Verbände für ihre Mitglieder hatten. Hinzukommen sozioökonomische Aspekte: Gewerkschaften waren „ein Produkt des sozialen Konflikts zwischen Kapital und Arbeit im Rahmen kapitalistischer Vergesellschaftung“.[11] Die Machtasymmetrie zwischen Kapital und abhängig Beschäftigten ist heute zwar vielfältig eingehegt und rechtlich begrenzt, aber weiterhin ein strukturierendes Gesellschaftsprinzip. Daher liegt ein zweites dominierendes Thema von Gewerkschaftsgeschichte in der Regulierung des Konflikts zwischen Kapital und Arbeit und der Rolle des Staats.[12]


1903/1904 streikten im sächsischen Crimmitschau bis zu 8000 Textilarbeiter*innen erfolglos für bessere Arbeitsbedingungen. Der siebenmonatige Arbeitskampf wurde von Gewerkschaften aus dem ganzen Reich unterstützt. Er führte auf Seiten der Arbeitgeber zu einer vermehrten Organisation in Arbeitgeberverbänden, um den wachsenden Gewerkschaften geschlossen entgegenzutreten.<br /> Bild: Solidaritätspostkarte zum Streik in Crimmitschau, circa 1903/1904, Fotograf*in: unbekannt, Quelle: [https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7c/Streik_Crimmitschau_postkarten12_gross.jpg Wikimedia Commons], gemeinfrei
1903/1904 streikten im sächsischen Crimmitschau bis zu 8000 Textilarbeiter*innen erfolglos für bessere Arbeitsbedingungen. Der siebenmonatige Arbeitskampf wurde von Gewerkschaften aus dem ganzen Reich unterstützt. Er führte auf Seiten der Arbeitgeber zu einer vermehrten Organisation in Arbeitgeberverbänden, um den wachsenden Gewerkschaften geschlossen entgegenzutreten.
Bild: Solidaritätspostkarte zum Streik in Crimmitschau, circa 1903/1904, Fotograf*in: unbekannt, Quelle: Wikimedia Commons, gemeinfrei


Das europäische „Normalarbeitsverhältnis“ im 20. Jahrhundert mit Arbeitsvertrag und Ausrichtung auf ein familiäres Ein-Ernährer-Modell ist global und historisch eher die Ausnahme, was sich in der transnational orientierten „Labour History“ widerspiegelt, unter der die Arbeiterbewegung ebenso gefasst werden kann wie die Geschichte der Arbeit.[13] Für eine transnationale Gewerkschaftsgeschichte ist zu berücksichtigen, dass europäisch und international eine Vielzahl von verschiedenen Gewerkschaftstypen ebenso wie disparate arbeitsweltliche Ausprägungen zu beachten sind. Internationale Gewerkschaftsgeschichte im engeren Sinne befasst sich mit internationalen Zusammenschlüssen.[14]

Der Artikel soll einen problemzentrierten Überblick zur gewerkschaftlichen Entwicklung mit Schwerpunkt auf Deutschland, besonders der Bundesrepublik ab 1945, aber auch mit Seitenblicken auf die Gewerkschaftsgeschichte der DDR, und der internationalen Verbünde geben. Anschließend werden sozialwissenschaftliche und historiografische Deutungen und damit das Forschungsfeld skizziert und nach systematischen Potenzialen der zeitgeschichtlichen Gewerkschaftsgeschichte gefragt.


Zur Periodisierung der deutschen Gewerkschaftsgeschichte

Entwicklung der Gewerkschaften bis zur Zeit des Ersten Weltkriegs

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bildeten sich in den industrialisierten Ländern Berufsverbände von abhängig Beschäftigten.[15] In Deutschland lässt sich nach ersten Gründungen zur Zeit der Jahrhundertmitte und darauffolgenden Verboten eine neue Gründungswelle in den 1860er-Jahren beobachten, in der sich zwei politische Richtungen herausbildeten. Neben der sozialdemokratischen entstand eine liberale Gewerkschaftsbewegung, meist nach zwei der führenden Gründer als „Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine“ bezeichnet. Den verschiedenen Gewerkschaftsgruppen gehörten jedoch nur einige zehntausend Personen an, das soziale Profil war von männlicher Handwerks- und Facharbeit geprägt.

Nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes entwickelten sich Gewerkschaften ab 1890 zu Massenorganisationen in drei politischen Strömungen. Die Freien Gewerkschaften, eng mit der sozialdemokratischen Partei verflochten, gründeten 1890 die Generalkommission der Gewerkschaften als Bundesführung und überschritten 1904 die Millionengrenze an Mitgliedern. Während liberale Gewerkschaften bei rund 100.000 Mitgliedern eher stagnierten, wuchs die 1894 gegründete christliche Gewerkschaftsbewegung kontinuierlich auf über 300.000 Mitglieder kurz vor dem Ersten Weltkrieg. Allerdings waren die Gewerkschaften aller Richtungen von einer hohen Mitgliederfluktuation geprägt.[16]

Gewerkschaftliche Aufgaben waren neben der Organisierung und Unterstützung von Streiks auch beratende Tätigkeiten: Dazu gehörten Arbeitsnachweise, Schulungen und kulturelle Bildungsveranstaltungen. Auch Arbeitslosenversicherungen nach dem „Gent System“ gehörten im späten Kaiserreich dazu.[17] Mit der staatlichen Arbeitslosenversicherung in der Weimarer Republik entfiel dieser Beitrittsanreiz. Der hohe Organisationsgrad skandinavischer und belgischer Gewerkschaften bis in die Gegenwart wird auch darauf zurückgeführt, dass sie bis heute die Arbeitslosenversicherung übernehmen.[18]

Als Hauptaufgabe der Gewerkschaften aber galt die Lohnpolitik, bei der die individuelle Konkurrenz durch kollektive Regelungen verringert werden sollte. Tarifverträge waren ab 1899 Ziel gewerkschaftlicher Politik. Bis 1913 arbeiteten rund 16,5 Prozent aller in der Industrie Beschäftigten mit Tarifverträgen, mehr als ein Drittel der Gewerkschaftsmitglieder. Fast 80 Prozent der Tarifverträge waren ohne Arbeitskämpfe ausgehandelt worden.[19] In der „Massenstreikdebatte“ innerhalb der SPD kulminierte der Konflikt um das „Primat der Politik“ zwischen 1904 bis 1906. Teile der SPD befürworteten einen Massenstreik zur Durchsetzung politischer Ziele, der Gewerkschaftsflügel lehnte diese Taktik ab.[20]

Carl Legien, Vorsitzender der Generalkommission der Gewerkschaften, hatte schon in den 1890er-Jahren für einen Kurs kleiner Schritte und sozialer Reformen plädiert – er ging von einem gesetzmäßigen Übergang zum Sozialismus aufgrund der Entwicklung der Produktionskräfte aus, eine politische Revolution lehnte er ab.[21] Im „Mannheimer Abkommen“ von 1906 wurde vereinbart, dass die Gewerkschaften einem Generalstreik zustimmen müssten und gewerkschaftliche und parteipolitische Arbeit gleichwertig sei, wobei die Gewerkschaften für Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Partei für politische Fragen zuständig sein sollten. Auch wenn das Verhältnis weiterhin eng blieb, gilt das Mannheimer Abkommen als ein wichtiger Schritt zur Emanzipation der Gewerkschaften von der Partei.[22] Eine neuere Studie zum Deutschen Metallarbeiter-Verband (DMV) zeigt, dass die auf politische Agitation ausgerichtete Mitgliederwerbung in den 1890er-Jahren an Grenzen stieß und der DMV erst mit einer verstärkten Hinwendung zu betrieblichen Problemen mehr Mitglieder gewann.[23]

Innergewerkschaftliche Konflikte bestanden zwischen der Ausrichtung auf Berufs- oder Industriegewerkschaften oder ergaben sich aus Auseinandersetzungen um die lokale oder zentrale Führung. Berufsverbände erlangten teilweise hohe Mitgliederquoten der Erwerbstätigen ihres Berufs, aber zur größten Einzelgewerkschaft entwickelte sich ab 1891 der DMV, der als Industriegewerkschaft alle Beschäftigten der Branche, und damit auch Un- und Angelernte, organisierte. Endgültig setzte sich das Organisationsprinzip der Industriegewerkschaft in Deutschland erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch.

Für die christliche Gewerkschaftsbewegung war der „Gewerkschaftsstreit“ vor dem Ersten Weltkrieg ein Element der Emanzipation gegenüber der katholischen Kirche. Die interkonfessionell konzipierten Gewerkschaften, jedoch katholisch dominiert, agierten aus christlicher Motivation, aber mit gewerkschaftlichen Mitteln. Dieses Konzept wurde von Teilen der Kirchenführung abgelehnt, die erfolglos rein katholische Arbeitervereine forderten.[24]

Der Erste Weltkrieg brachte die Anerkennung der Gewerkschaften als Repräsentanten der Arbeiterschaft. Bereits vor der SPD hatte die Generalkommission zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Bereitschaft zum „Burgfrieden“ erklärt. 1916 erfolgte mit dem „vaterländischen Hilfsdienstgesetz“, das eine allgemeine Arbeitspflicht für alle nicht kriegsdienstfähigen Männer vorsah, eine staatliche Anerkennung der Gewerkschaften als Repräsentanten in den Betrieben. Mit dem Zentralarbeitsabkommen („Zentralarbeitsgemeinschaft der industriellen und gewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Deutschlands“, ZAG, auch als Stinnes-Legien-Abkommen bekannt) vom 15. November 1918 zwischen Arbeitgeberverbänden und den drei Gewerkschaftsrichtungen erfolgte die Anerkennung auch seitens der Arbeitgeberverbände. Vereinbart wurden u.a. der Acht-Stunden-Tag und verbindliche Tarifverträge.[25] Die ZAG zerfiel im Krisenjahr 1923 und wurde Anfang 1924 aufgelöst.[26]


Gewerkschaften in der Weimarer Republik und im Widerstand

Nach der Novemberrevolution erlebten alle Gewerkschaftsrichtungen einen Mitgliederanstieg, der sich nach starken Einbrüchen im Krisenjahr 1923 wieder stabilisierte. 1929 hatten die Freien Gewerkschaften, die sich seit 1919 im Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) organisiert hatten, fast fünf Millionen Mitglieder, die Christlichen Gewerkschaften mit ihrem Dachverband Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) 673.000 und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine mit dem „Gewerkschaftsring deutscher Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenverbände“ rund 168.000. Alle Bünde hatten Angestellten- und Beamtenverbände, die sich vor dem Ersten Weltkrieg meist nicht als Gewerkschaften, sondern als ständische Gruppen verstanden hatten. Syndikalistische Gewerkschaften hatten nur in den Anfangsjahren der Weimarer Republik größeren Zulauf, die kommunistische Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) entstand ab 1928 und hatte zwar einige Mobilisierungserfolge, aber nur wenig betrieblichen Einfluss.[27]

Als Ergebnis des Ersten Weltkriegs war die Arbeiterbewegung international in sozialistische und kommunistische Strömungen zerfallen. In der Mitgliedschaft waren beide politischen Strömungen vertreten, die Gewerkschaftsführung blieb jedoch eng mit der Sozialdemokratie verbunden. In den Arbeiter- und Soldatenräten sprachen sich die meist männlichen Gewerkschaftsfunktionäre gegen eine Rätedemokratie aus. Die Gewerkschaften folgten einem Verrechtlichungspfad, mit dem Machtasymmetrien und Arbeitskonflikte eingehegt werden sollten. Wichtige Eckpunkte waren das 1920 verabschiedete Betriebsrätegesetz und die 1927 eingeführte staatliche Arbeitslosenversicherung.

Neben großen Streiks, wie der Generalstreik bei der Abwehr des Kapp-Putsches 1920 oder der Ruhrkohlestreik 1928, gehörten sozialpolitische Expertise und Mitwirkung in der Arbeitslosenversicherung oder Sozialfürsorge zum gewerkschaftlichen Alltag. Programmatisch zielte der ADGB auf eine „Wirtschaftsdemokratie“, deren Konzept eine eigene Kommission 1928 entwickelt hatte. Ziel war die Regulierung des Kapitalismus auf makroökonomischer Ebene unter Beteiligung der Gewerkschaften.[28] Gewerkschaften waren auch keine prinzipiellen Gegner von Rationalisierungen zur Produktivitätserhöhung, weder vor noch nach dem Zweiten Weltkrieg.[29]

Die drei Richtungsgewerkschaften gehörten zu den entschiedenen Verteidigern der Weimarer Republik. Nur einige deutschnationale Angestellten-Verbände waren erklärte Gegner der Republik.[30] Mit der Weltwirtschaftskrise begann eine Schwächung des gewerkschaftlichen Einflusses aufgrund von krisenbedingten Mitgliederverlusten durch Arbeitslosigkeit. Anfang 1933 setzte die Gewerkschaftsführung des ADGB auf einen legalistischen Anpassungskurs an das nationalsozialistische Regime, der mit der gewaltsamen Zerschlagung der Freien Gewerkschaften am 2. Mai 1933 sein Ende fand; christliche und liberale Gewerkschaften lösten sich zugunsten der am 10. Mai 1933 gegründeten Deutschen Arbeitsfront (DAF) auf.[31]

Entlassene Gewerkschaftsfunktionär*innen organisierten sich zum Teil konspirativ. Die These, dass es eine „illegale Reichsleitung der Gewerkschaften“ gegeben habe, hat die neuere Forschung zurückgewiesen. Es waren eher kleine Kreise und Gruppen ehemaliger Funktionäre, kein umspannendes Netz, die den gewerkschaftlichen Widerstand prägten.[32] Zu Zentren der gewerkschaftlichen Emigration mit eigenen Landesverbänden wurden vor allem Schweden, Großbritannien, die USA und die Schweiz, wo Pläne für den gewerkschaftlichen Neuanfang als Einheitsgewerkschaft aller politischen Richtungen entworfen wurden.[33]


Gewerkschaften in der Nachkriegszeit und im Kalten Krieg

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der Wiederaufbau von Gewerkschaften in den vier Besatzungszonen unterschiedlich. In der Sowjetischen Besatzungszone verfolgte der im Juni 1945 in Berlin gegründete Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) einen zentralen Aufbau mit einem starken Bund und untergeordneten Einzelgewerkschaften. Der überparteiliche Anfang war aber schnell überschattet von der Ausrichtung des FDGB auf die SED sowie der Vorstellung, dass im Sozialismus kein Konflikt zwischen Arbeit und Kapital mehr existiere und die gewerkschaftliche Rolle nun darin bestehe, die Produktion zu steigern. Mit der Ablösung von Betriebsräten durch Betriebsgruppen des FDGB 1948 und der Anerkennung der führenden Rolle der SED war dieser Prozess bis 1950 weitgehend abgeschlossen.[34]

Fast alle Beschäftigten in der DDR waren Gewerkschaftsmitglieder, da soziale Aufgaben wie Ferienbetreuungen, Unterstützungskassen und betriebliche Gesundheitsversorgung durch den FDGB organisiert wurden.[35] Zu den Aufgaben gehörten auch die Förderung der Arbeitsmotivation, die Mitwirkung bei der Planerstellung und die Nachwuchsrekrutierung.[36] Trotz dieser hohen sozialen Bedeutung spielte der FDGB politisch nur eine Nebenrolle und fand auch in den Betrieben kaum eigenständige Anerkennung, wie Renate Hürtgen in ihrer Studie über FDGB-Vertrauensleute in der DDR eindrucksvoll belegt hat.[37] Während der Existenz der DDR versuchte die FDGB-Führung nicht, ihre denkbaren Handlungsspielräume im betrieblichen Alltag auszuweiten, sondern folgte den Vorgaben der SED. Erst mit dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft Ende 1989 formierten sich Reformkräfte und unabhängige Gewerkschaften.[38]


In der DDR hatten die Gewerkschaften vor allem soziale und kulturelle Aufgaben. Der FDGB organisierte über die Betriebe Urlaubsreisen, die häufig in gewerkschaftseigene Ferienheime führten.<br />
Bild: Plakat zum FDGB-Feriendienst, März 1950, Plakatkunst: W. Meier, Quelle: [https://www.bild.bundesarchiv.de/dba/de/search/?yearfrom=&yearto=&query=+Bundesarchiv%2FPlak+100-023-019 Bundesarchiv/Plak 100-023-019]
In der DDR hatten die Gewerkschaften vor allem soziale und kulturelle Aufgaben. Der FDGB organisierte über die Betriebe Urlaubsreisen, die häufig in gewerkschaftseigene Ferienheime führten.
Bild: Plakat zum FDGB-Feriendienst, März 1950, Plakatkunst: W. Meier, Quelle: Bundesarchiv/Plak 100-023-019


Versuche, direkt nach dem Krieg, mit den Interzonenkonferenzen der Gewerkschaften einen Verband für alle Besatzungszonen zu gründen, scheiterten 1948: Für mehr als zwei Jahrzehnte waren offizielle Kontakte seitens des DGB zum FDGB untersagt.[39] Der gewerkschaftliche Wiederaufbau in den drei Westzonen erfolgte über lokal und regional gegründete Industriegewerkschaften und Gewerkschaftsbünde. Dabei ging die Initiative gelegentlich von Betrieben aus, meist aber waren es männliche Funktionäre aus der Weimarer Republik, die die Organisationen aufbauten.[40] Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als bundesweiter Dachverband von 16 Einzelgewerkschaften wurde im Oktober 1949 in München gegründet. Der DGB verstand sich als „Einheitsgewerkschaft“ im Sinne einer parteipolitischen Neutralität; die drei früheren Richtungsgewerkschaften gingen in ihm auf. Der Begriff ist aber auch als organisatorisches Prinzip „ein Betrieb – eine Gewerkschaft“ zu verstehen. Der Zusammenschluss galt als Lehre aus dem Nationalsozialismus.

Allerdings gab es auch Trübungen: 1948 spaltete sich mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) eine statusbezogene Organisation von den Vorläufergruppen des DGB wieder ab, die erst seit 2001 mit der Gründung der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) wieder dem DGB angehört.[41] Der Deutsche Beamtenbund (DBB), ab 1948 von Funktionären aus Beamtenorganisationen der Weimarer Republik aufgebaut und 1950 bundesweit gegründet, vereinte ebenfalls eine Vielzahl von Gewerkschaften und Berufsverbänden im Öffentlichen Dienst.[42] Der Aufruf des DGB zur Bundestagswahl 1953, für die SPD zu stimmen, führte zur Neugründung christlicher Gewerkschaften. Allerdings blieben die führenden Vertreter des Arbeitnehmerflügels von CDU/CSU im DGB, daher führte der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands weitgehend ein Schattendasein. Wolfgang Schroeder sah in der innerkatholischen Auseinandersetzung um die Einheitsgewerkschaft eine Erosion des politischen Katholizismus. Er gewann zwar nach dem Zweiten Weltkrieg wieder an Bedeutung, aber es gelang ihm nicht mehr, die Fliehkräfte zwischen „traditionalen und modernen Orientierungen“ in der Gewerkschaftsfrage zu koordinieren.[43]

Es gab in der Bundesrepublik also weiterhin konkurrierende Gewerkschaften, aber die DGB-Gewerkschaften dominierten die Arbeitsbeziehungen und die öffentliche Wahrnehmung. Mehr als richtungspolitische Gründe waren es vor allem Interessenunterschiede beruflicher Statusgruppen, die eine gewerkschaftliche Vielfalt bedingten. Insbesondere in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherungssysteme mit der Trennung in Angestellten- und Arbeiterversicherungen bis 2005 hatten Statusverbände Einfluss, während sie sich bei den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst meist mit der DGB-Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) abstimmten. Die arbeits- und sozialrechtlich lange dominierende Unterscheidung zwischen Arbeiter und Angestellten verlor in der Bundesrepublik schleichend an Bedeutung. Mit Tarifabschlüssen in der Chemieindustrie 1988, der Metallindustrie 2003 und dem Öffentlichen Dienst 2005 wurden statt Gehalt und Lohn nur noch Entgelte ohne arbeitsrechtliche Statusunterschiede verhandelt.[44]

Gewerkschaften waren auch immer politische Akteure. Das DGB-Programm von 1949 enthielt noch gesellschaftspolitische Reformvorstellungen wie die Sozialisierung von Schlüsselindustrien. Mit dem Scheitern der paritätischen Mitbestimmung in Großbetrieben – sie wurde nur in der Montan-Industrie 1951 beibehalten[45] – und dem neuen Betriebsverfassungsgesetz von 1952 sahen sich die Gewerkschaften in der politischen Defensive. Mit dem „Aktionsprogramm“ von 1955 akzeptierten sie faktisch die soziale Marktwirtschaft und setzten auf Lohnsteigerungen und Verbesserungen der Arbeitsbedingungen.

Julia Angster hat von einer „Westernisierung“ der SPD und des DGB gesprochen und die Bedeutung der Remigration dargelegt, in der sich, beeinflusst von amerikanischen und britischen Gewerkschaften, führende Funktionäre von sozialistischen Ordnungsvorstellungen abgewandt und den Ideen eines „Konsenskapitalismus“ zugewandt hätten.[46] Mit dem neuen DGB-Grundsatzprogramm von 1963 wurde der Abschied von Sozialisierungsvorstellungen eingeleitet, die für die gewerkschaftliche Politik praktisch keine Rolle mehr spielten, aber als gewerkschaftliche Reformvorstellungen weiterhin zum Diskursfeld gehörten. Gewerkschaften mobilisierten immer wieder zu politischen Themen, so gegen die Wiederbewaffnung und rechtsextreme Gruppierungen ebenso wie für die Wiedervereinigung. Sie verstanden sich als gesellschaftliche Reformkraft, aber nicht als politische Bewegung mit eigenem Recht, zumal die parteipolitische Neutralität zu berücksichtigen war.

In der ökonomischen Boomphase der beiden Nachkriegsjahrzehnte erhöhten sich die Löhne ebenso wie die Produktivitätssteigerungen, und soziale Verbesserungen wie Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall, Arbeitszeitverkürzungen auf 40 Stunden und die Fünf-Tage-Woche wurden durchgesetzt. Nachdem in den 1950er-Jahren das „Wunder der Organisation“ zu einem kontinuierlichen Mitgliederanstieg der DGB-Gewerkschaften geführt hatte – 1955 waren es über sechs Millionen –, war in den 1960er-Jahren eine Mitgliederstagnation und eine Erosion der Arbeiterschaft, die die Mitgliedschaft geprägt hatte, als lebensweltliches Milieu zu beobachten.[47] So ging die Teilnehmerzahl am 1. Mai als höchstem Feiertag der Gewerkschaften kontinuierlich zurück und wurde ab den 1970er-Jahren von Gruppen der Neuen Linken und migrantischen Organisationen zumindest in größeren Städten mitgeprägt.[48]


Vom „sozialdemokratischen Jahrzehnt“ bis zur Wiedervereinigungsgesellschaft

Die sozialliberale Regierung ab 1969 befeuerte gewerkschaftliche Reformziele; insbesondere die Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 bedeutete eine erhebliche Erweiterung des Einflusses in den Betrieben und einen Professionalisierungsschub für viele Betriebsräte.[49] Es war auch in Teilen eine Politisierung in der Mitgliedschaft zu beobachten, so in der Gewerkschaftsjugend oder bei wilden Streiks wie im September 1969.[50] Diese Phase, so der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, habe zu einer „Re-Ideologisierung“ unter antikapitalistischen Vorzeichen geführt. Auf Veränderungen der kapitalistischen Arbeitswelten wie dem Niedergang vieler Traditionsindustrien konnte mit dem Fokus auf die Industriearbeiterschaft ebenso wenig adäquat reagiert werden wie auf gesellschaftspolitische Themen der Neuen Sozialen Bewegungen.[51]

Trotz harter Konflikte, insbesondere im Spannungsfeld von Ökologie und Sicherung industrieller Arbeitsplätze, zeigen hingegen neuere Forschungen durchaus vielfältige Verschränkungen zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen auf der lokalen Ebene.[52] Quellengesättigt ist für die Sozialgesetzgebung der sozialliberalen Reformphase der hohe Gestaltungseinfluss der Gewerkschaften dargestellt worden.[53] Dies spricht weniger für eine Westernisierung als für eine deutsche Sozialstaatstradition, die durch den DGB in der Sozialgesetzgebung gestärkt wurde. Mit der Bundesregierung unter Helmut Schmidt und einer andauernden ökonomischen Krise gerieten die Gewerkschaften erneut in die Defensive und auch in Loyalitätskonflikte.[54]

Das Mitbestimmungsgesetz von 1976 sah eine erweiterte, aber keine paritätische Mitbestimmung in Unternehmen ab 2000 Beschäftigten vor[55] und lässt sich somit als politische Niederlage für die Gewerkschaften charakterisieren.[56] Die DGB-Gewerkschaften erlebten einen Zuwachs bis zum Höchststand in der alten Bundesrepublik 1979 mit fast acht Millionen Mitgliedern. Auch der DBB wuchs beständig: 1980 waren es 821.000 Mitglieder, bedingt vor allem durch den Personalausbau im Öffentlichen Dienst. Der industrielle Strukturwandel mit dem Rückgang von Traditionsindustrien wie Stahl- und Schiffbau oder Textilproduktion leitete jedoch den Verlust traditioneller Gewerkschaftshochburgen ein. Bezogen auf alle Erwerbstätigen ging der gewerkschaftliche Organisationsgrad von knapp 43 Prozent 1950 bis 2011 um fast die Hälfte zurück.[57]

Dabei änderte sich auch das Sozialprofil der Mitgliedschaft. Dafür sind vor allem sozioökonomische Wandlungen, aber auch die Wiedervereinigung als Gründe auszumachen. Die dominierende Gruppe unter den Gewerkschaftsmitgliedern waren Arbeiter*innen, deren Anteil in den 1950er-Jahren bei rund 80 Prozent, 2011 dagegen nur noch bei gut 40 Prozent lag. Der Anteil von Beamt*innen betrug rund acht Prozent, der von Angestellten stieg von etwas mehr als zehn Prozent in den 1950er-Jahren auf fast die Hälfte Anfang des neuen Jahrtausends, mit großen Unterschieden zwischen den Gewerkschaften.

Bei den Geschlechtern dominierten Männer; noch Ende der 1960er-Jahre stellten sie mehr als 80 Prozent der Mitgliedschaft. Eine gewisse Trendumkehr war seit den 1980er-Jahren zu beobachten, als der männliche Organisationsgrad sank, der weibliche hingegen stieg. Vor der Wiedervereinigung waren jedoch nur rund 25 Prozent der Mitglieder weiblich, zehn Jahre später war es jedes dritte Mitglied. Hierzu trug der höhere Anteil von Frauen in den DDR-Gewerkschaften mit bei. Im europäischen Vergleich lässt sich in allen Ländern ein teils erheblicher Rückgang der Gewerkschaftsmitgliedschaft feststellen, wobei Deutschland im unteren Mittelfeld liegt.[58]

Die Veränderung des Sozialprofils der Mitgliedschaft erfolgte auch durch die Arbeitsmigration. Für die Gewerkschaften blieb der Umgang mit Arbeitsmigration von Ambivalenzen geprägt, da sie einerseits einem Diskurs um Fremdheit und Arbeitsmarktkonkurrenz folgten, andererseits Akzeptanz im betrieblichen Umgang anstrebten. In der Bundesrepublik waren Gewerkschaften bei der Ausgestaltung der Anwerbeabkommen zwischen 1955 und 1973 beteiligt, um den Zuzug von Arbeitskräften mit zu steuern. Ihr Verhalten gegenüber den migrantischen Beschäftigten, die meist als Arbeiter*innen in un- und angelernten Bereichen tätig waren, war von „Misstrauen, Regulation und Integration“ geprägt, und in Krisenzeiten zeigte sich meist der begrenzte Fokus auf die deutschen Gewerkschaftsmitglieder.[59]

Betriebliche Strukturen und die Gewerkschaften waren in der Bundesrepublik für viele Arbeitsmigrant*innen eine erste Sozialisationsinstanz nach ihrer Ankunft, und Gewerkschaften unterstützten als sozialpolitischer Interessenverband Reformen der Ausländergesetzgebung und Integrationsmaßnahmen.[60] Es dauerte aber lange, bis auch höhere Funktionen in den Gewerkschaften selbst von Migrant*innen ausgefüllt wurden.

Die erfolgreichsten Zeiten der bundesdeutschen, aber auch der westeuropäischen Gewerkschaften lagen zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren, als „industrielle Massenproduktion, standardisierte Produkte und Dienstleistungen sowie der industrielle Großbetrieb“ gesellschaftliche Leitfunktionen hatten und Arbeitsbeziehungen durch Flächentarifverträge und Verbändekooperationen dominiert waren.[61] Der gewerkschaftliche Einfluss war nicht nur in der fordistischen Boomphase, sondern auch in der Krisensituation des Strukturwandels hoch. Der weitgehend „sozialverträglich“ ausgehandelte Strukturwandel ist vor allem auf die verrechtlichten Arbeitsbeziehungen als deutsches Spezifikum zurückzuführen, während dieser Prozess in Großbritannien konfliktreich und mit vielen Verlierer*innen geführt wurde.[62]

Die bundesdeutsche Gewerkschaftssoziologie sprach zeitgenössisch von einem „Funktionswandel“ im sozialstaatlich organisierten Kapitalismus. Nicht mehr Klassenkampf, sondern institutionalisierte Zusammenarbeit mit Arbeitgeberverbänden und staatlichen Stellen seien nun die gewerkschaftlichen Aufgaben.[63] Eine der strukturierenden rechtlichen Bedingungen der westdeutschen und nach der Wiedervereinigung auch ostdeutschen Arbeitswelten ist die grundgesetzlich verankerte Tarifautonomie: die Lohnaushandlung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeber*innen ohne staatliche Eingriffe. Diese rechtliche Norm wurde in ökonomischen Krisenzeiten zwar gelegentlich in Frage gestellt, so bei der Konzertierten Aktion ab 1968 oder dem Bündnis für Arbeit ab 1998, aber weder Arbeitgeber noch Gewerkschaften waren bereit, staatliche Eingriffe und Vorgaben als rechtlich bindend zu akzeptieren.[64] Lohnpolitische Zurückhaltungen, die Gewerkschaften aus makroökonomischen Gründen immer wieder vertraten, entstanden vielmehr aus einem Beziehungsgeflecht von politischen Verpflichtungen und ökonomischen Rücksichtnahmen.[65]

Seit den 1980er-Jahren war die gewerkschaftliche Entwicklung von Krisenaspekten geprägt. Dazu gehörten die „Verbetrieblichung“ gewerkschaftlicher Politik, also die Dezentralisierung der Aushandlungsebenen, die Aufgabe der Gemeinwirtschaft und gewerkschaftliche Fusionsprozesse aufgrund von Strukturwandel und Mitgliederverlusten – Faktoren, die durch die Wiedervereinigung erheblich beschleunigt, aber nicht ausgelöst wurden.[66] Galten lange die Schutz- und Beratungsaufgaben als wesentliche Tätigkeit von Betriebsräten, wuchs seit den 1980er-Jahren, häufig unter dem Schlagwort vom „Co-Management“, in größeren Betrieben wie der Automobilindustrie der Einfluss auch auf betriebswirtschaftliche Entscheidungen.[67] Zugleich gab es Bereiche, in denen Gewerkschaften faktisch keine Rolle mehr spielten, so in Kleinbetrieben, aber auch in Boom-Branchen wie der IT oder Windkraft.[68]

Auch politisch wuchs der Druck in den 1990er-Jahren: Gewerkschaften wurden als Treiber für hohe Lohnkosten ausgemacht, die Deutschland internationale Wettbewerbsnachteile brächten. Im Februar 2004 wurde im Bezirk Stuttgart die „Vereinbarung zur Sicherung von Arbeitsplätzen, Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit“, das sogenannte Pforzheimer Abkommen, abgeschlossen. Es ermöglichte Ausnahmeregelungen von Tarifverträgen bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten einzelner Betriebe und wurde für die anderen Tarifgebiete übernommen.[69] Innerhalb der Gewerkschaften gelegentlich als Tabubruch gewertet, sollte es für betriebliche Krisensituationen ein verbindliches Regelwerk festlegen und auf den politischen Reformdruck reagieren.[70]

Die für Gewerkschaften ambivalente Dezentralisierung ging einher mit einem Bedeutungsverlust für die Lebenswelten ihrer Mitglieder. Dabei spielte auch das Ende gemeinwirtschaftlicher Unternehmungen eine Rolle. Gemeinwirtschaft galt lange als dritte Säule der Arbeiterbewegung: Seit dem späten Kaiserreich wurden Einkaufsgenossenschaften und Versicherungen eingerichtet.[71] Seit den 1950er-Jahren wuchsen einige Bereiche der Gemeinwirtschaft in schnellem Tempo. Die vier größten Unternehmen waren die Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat, die Versicherung Volksfürsorge, die Einzelhandelskette co op und die Bank für Gemeinwirtschaft.

Nach dem Boom gelang es in den 1970er-Jahren jedoch nicht, die Unternehmen wirtschaftlich sicher zu führen. Die Neue Heimat und die co op wurden Anfang der 1980er-Jahre durch Misswirtschaft und Unterschlagungen zu bundespolitischen Skandalfällen. Danach wickelten die Gewerkschaften die Gemeinwirtschaft weitgehend ab und führten sie bis Anfang der 1990er-Jahre auf den Kernbereich gewerkschaftseigener Immobilien und einer Finanzholding zurück. Das Ende der Neuen Heimat hat Peter Kramper als gewerkschaftliches Unvermögen gedeutet, von der fordistischen Produktion beim Wohnungsbau auf gewandelte Mieteransprüche zu reagieren.[72]


In der westdeutschen Wiederaufbaugesellschaft hatten gemeinwirtschaftliche Unternehmungen prägenden Einfluss. Insbesondere die gewerkschaftseigene Baugesellschaft „Neue Heimat“ prägte mit Großprojekten den städtischen Wohnungsbau bis in die 1970er-Jahre. Das Foto zeigt die Übergabe einer Neubauwohnung im Kieler Stadtteil Mettenhof am 24. November 1967. Da sie als zehnmillionste neugebaute Wohnung in der Bundesrepublik galt, war neben Lauritz Lauritzen, Bundesminister für Städtebau (ganz links), Oberbürgermeister Günter Bantzer (3.v.l.) auch der Geschäftsführer Neue Heimat Nord, Albert Vietor (3.v.r.), mit der Familie Howe anwesend. <br /> 
Foto: Friedrich Magnussen, Quelle: [https://commons.wikimedia.org/wiki/File:%C3%9Cbergabe_der_zehnmillionsten_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_gebauten_Wohnung_im_Haus_am_Bornholmer_Weg_9_(1._Stock_links)_in_Mettenhof_(Kiel_42.318).jpg Wikimedia Commons] / Stadtarchiv Kiel, Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en CC BY-SA 3.0 DE]
In der westdeutschen Wiederaufbaugesellschaft hatten gemeinwirtschaftliche Unternehmungen prägenden Einfluss. Insbesondere die gewerkschaftseigene Baugesellschaft „Neue Heimat“ prägte mit Großprojekten den städtischen Wohnungsbau bis in die 1970er-Jahre. Das Foto zeigt die Übergabe einer Neubauwohnung im Kieler Stadtteil Mettenhof am 24. November 1967. Da sie als zehnmillionste neugebaute Wohnung in der Bundesrepublik galt, war neben Lauritz Lauritzen, Bundesminister für Städtebau (ganz links), Oberbürgermeister Günter Bantzer (3.v.l.) auch der Geschäftsführer Neue Heimat Nord, Albert Vietor (3.v.r.), mit der Familie Howe anwesend.
Foto: Friedrich Magnussen, Quelle: Wikimedia Commons / Stadtarchiv Kiel, Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE


Schließlich führten strukturelle Probleme zu Fusionen, an deren Ende nur noch acht DGB-Gewerkschaften übrigblieben. Bereits Ende der 1980er-Jahre zeichnete sich aufgrund finanzieller Schieflagen der „Rückzug aus der Fläche“ ab. Der DGB beschloss im Mai 1989 eine Strukturreform mit der Aufgabe von hauptamtlicher Arbeit in strukturschwachen Kreisen.[73] Nach der Wiedervereinigung erlebten die DGB-Gewerkschaften einen kurzfristigen Höchststand von fast zwölf Millionen Mitgliedern durch Eintritte und Übernahmen aus FDGB-Gewerkschaften. Danach setzte ein kontinuierlicher Rückgang ein: 2020 waren es nur noch knapp sechs Millionen Mitglieder. Der von vielen ehemaligen DDR-Bürger*innen überschätzte Einfluss der Gewerkschaften beim Erhalt von Arbeitsplätzen führte zu Enttäuschungen und der Abbau industrieller Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern zu hohen Mitgliederverlusten.[74] Auch die geringere Tarifbindung der Arbeitgeber in den neuen Bundesländern erschwerte das gewerkschaftliche Handeln.[75]

Der industrielle Strukturwandel im Westen mit Produktionsverlagerungen ins Ausland und nach der Wiedervereinigung dann radikalisiert im Osten führte zu schrumpfenden Branchen und Betrieben, die lange gewerkschaftliche Hochburgen waren. Daher waren die 1990er-Jahre von gewerkschaftlichen Fusionen geprägt.[76] Sie verschoben das Organisationsprinzip von den Industriegewerkschaften hin zu Multibranchengewerkschaften. Der DBB nannte sich ab 2003 DBB-Tarifunion, da zunehmend auch Angestellte unter den 1,2 Millionen Mitgliedern waren. Einige spezialisierte Berufsgewerkschaften wie die Pilotenvereinigung Cockpit oder die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) führten nicht zur befürchteten Fragmentierung der Gewerkschaftslandschaft.[77]


In neuen Branchen und Dienstleistungssektoren, die meist keine betrieblichen Mitbestimmungsstrukturen haben, versuchen die Gewerkschaften, die Beschäftigten zu organisieren.<br /> Bild: Streik bei Amazon in Rheinberg 2015 zur Durchsetzung eines Tarifvertrags, 24.09.2015, Foto: Niels Holger Schmidt, Quelle: [https://www.flickr.com/photos/dielinke_nrw/21669180392/ Flickr], Lizenz: [https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/ CC BY-SA 2.0]
In neuen Branchen und Dienstleistungssektoren, die meist keine betrieblichen Mitbestimmungsstrukturen haben, versuchen die Gewerkschaften, die Beschäftigten zu organisieren.
Bild: Streik bei Amazon in Rheinberg 2015 zur Durchsetzung eines Tarifvertrags, 24.09.2015, Foto: Niels Holger Schmidt, Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0


Das hauptamtliche Personal bestand in den Industriegewerkschaften lange aus einem meist männlichen Gewerkschaftsfunktionär, mit Herkunft aus einer Arbeiterfamilie, der nach der „Ochsentour“ von der betrieblichen Ausbildung über untere Gewerkschaftsgremien bis zur hauptamtlichen Anstellung aufstieg.[78] Seit den 1970er-Jahren erhöhten sich die schulischen und universitären Vorqualifikationen bei Funktionär*innen, worauf sich schon früh der Vorwurf einer „Akademisierung“ des Führungspersonals stützte.[79] Der Anstieg akademischer Qualifikationen spiegelte vor allem die gesellschaftlichen Folgen der Bildungsexpansion wider und die erforderlichen Fachkompetenzen in den Führungsetagen der Gewerkschaften.[80] Die sich daraus ergebende Distanz zwischen gewerkschaftlichen Führungsgruppen und der Mitgliederbasis ist im 20. Jahrhundert lange als strukturelles Problem beschrieben worden,[81] spielte aber nach dem Boom eine abnehmende Rolle. Die Gewerkschaften wurden von den Mitgliedern mehr als arbeitsweltlicher Interessenverband denn als lebensweltliche Gemeinschaft wahrgenommen. Zwar ist bei vielen Mitgliedern auch weiterhin von intrinsischen Motiven zur kollektiven Interessendurchsetzung auszugehen und nicht allein von zweckrationaler Vorteilssuche,[82] aber die Bindekraft früherer Milieus spielt nur noch eine geringe Rolle.


Internationale Verbände und transnationale Gewerkschaftspolitik

Die Gewerkschaftsbewegung verstand sich von Anfang an als eine internationale Bewegung. Aber nicht nur aus diesem Grund sind transnationale Perspektiven für die Gewerkschaftsgeschichte wichtig. Die hier knapp für Deutschland skizzierte Entwicklung mit der Erosion der Arbeiterschaft als sozialem Milieu gilt auch für die anderen europäischen Länder, mit ähnlichen Auswirkungen für die gewerkschaftliche Organisierung.[83] Marcel van der Linden betonte „a permanent fluidity of labor relations in all continents“, sodass eine Perspektive auf Facharbeit für die meisten Länder des globalen Südens zu viele andere Beschäftigungsverhältnisse, seien es Zwangs- und Sklavenarbeit, unständige oder landwirtschaftliche Beschäftigung, weitgehend ignoriere.[84] Diesen globalen Perspektiven kann hier nicht ausführlich nachgegangen werden. Im Folgenden stehen die internationalen Gewerkschaftsbünde im Blickpunkt. Sie entwickelten früh gemeinsame Forderungen nach länderübergreifenden Regelungen. Die internationale Zusammenarbeit ist mit der Zunahme supranationaler Regulierungen, globalisierter Lieferketten und multinationaler Konzerne gewachsen, allerdings erfolgt bis heute die Regulierung im wichtigen Tarifbereich fast ausschließlich auf nationaler Ebene.

Aus den in den 1890er-Jahren gegründeten Internationalen Berufssekretariaten ging 1913 der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) hervor. Seit 1908 gab es auch den Weltverband der Arbeitnehmer (WVA) als christliche Dachorganisation. Nach dem Ersten Weltkrieg gründeten sich neben den sozialistischen und christlichen Verbänden auch kommunistische Vereinigungen.

Eine wichtige Rolle als Katalysator internationaler Zusammenarbeit spielte die Internationale Arbeitsorganisation (IAO bzw. englisch: International Labour Organisation, ILO), 1919 in Genf gegründet. Sie wurde drittelparitätisch von Regierungen, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften gebildet und fungiert heute als UNO-Sondergremium für Soziales. Daniel Maul hat herausgearbeitet, dass die ILO einen europäisch verengten Zugriff erst in den 1960er-Jahren aufgrund von Initiativen der dekolonisierten Länder aufgab.[85] Die ILO war ein normsetzendes Gremium, aber mit geringer Durchsetzungskraft, in dem vor allem Standards für menschenwürdige Arbeit und soziale Sicherung erarbeitet wurden.

Nach 1945 gab es eine kurze Phase der Einheit von kommunistischen und sozialistischen Gewerkschaften im Weltgewerkschaftsbund (WGB). Sie hielt aufgrund des Kalten Kriegs nur kurze Zeit; 1949 gründeten die sozialdemokratischen und westlichen Gewerkschaften mit dem Internationalen Freien Gewerkschaftsbund (IBFG) eine eigene Organisation. 2006 vereinigten sich IBFG und WVA zum Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB). Der WBG existiert noch heute in deutlich kleinerer Form als während des Kalten Kriegs, einflussreich noch in Teilen des Globalen Südens.

Zu den Weltverbänden kamen regionale Verbände, meist nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) wurde mit der EG-Erweiterung 1973 als eigenständige Organisation gegründet, Vorläuferorganisationen existierten bereits seit 1950.[86] Dies gilt auch für Branchenorganisationen; der Vorläufer des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes ist 1963 gegründet worden.[87] In den 1970er-Jahren begann eine langsame Öffnung hin zu christlichen und eurokommunistischen Gewerkschaften.[88]

Die internationalen Gewerkschaftsverbände waren von einem „pragmatischen Internationalismus“ geprägt, denn sie wurden von wenigen männlichen Spitzenfunktionären geführt und hatten nur „geringeren innerorganisatorischen Öffentlichkeitswert“. Dies lag und liegt vor allem daran, dass tarif- und sozialpolitische Einflussnahmen bis heute national geprägt sind und die internationalen Verbände keine Weisungsbefugnisse gegenüber den Mitgliedsgewerkschaften haben.[89] Ihre Bedeutung lag in der Beeinflussung der internationalen Politik. Für die europäischen Gewerkschaftsverbände stand die Einflussnahme auf die europäische Integrationspolitik der EG bzw. EU im Zentrum.[90]

Die internationalen Verbände sind für die Debatten um Normen und Standards in den Arbeitswelten bedeutsam, insbesondere nach dem Globalisierungsschub nach 1990 und der Zunahme von weltweiten Produktionsketten.[91] Nur wenige Arbeiten liegen vor, in denen die Perspektive der internationalen Verbände mit betrieblichen verbunden wird. Johanna Wolf hat anhand der Krise der Schifffahrtsbranche seit den 1970er-Jahren transnationales Gewerkschaftshandeln untersucht und eher ernüchternd gezeigt, dass der Internationale Metallarbeiter-Bund nur wenig Nachhall bei den Beschäftigten einer Bremer Werft hatte, die vor allem ihren Standort erhalten wollten.[92]

Eine Entwicklung erst der letzten Jahrzehnte ist die Zusammenarbeit von Betriebsräten in multinationalen Unternehmen mit Standorten in mehreren Ländern – der Blick darauf ist bisher noch eine Domäne der Sozialwissenschaften.[93] Hier lässt sich erkennen, inwieweit unterschiedliche Gewerkschafts- und Unternehmenskulturen miteinander in Konflikt gerieten: so zum Beispiel der stärkere Zusammenhalt der europäischen Gewerkschaften bei General Motors gegenüber der US-amerikanischen Konzernmutter,[94] auf der anderen Seite hingegen die Dominanz der bundesdeutschen IG Metall bei Volkswagen.[95]


Gewerkschaften als Forschungsfeld

Zur Historiografie der Gewerkschaften

Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden historische Studien zur Geschichte der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung. Viele Verfasser*innen waren vom Anspruch getrieben, gegen eine Geschichtslosigkeit der unteren Klassen ebenso anzuschreiben wie die Erfolge der Organisation hervorzuheben. Die gewerkschaftliche Historiografie war daher lange Zeit vor allem eine organisationsinterne Selbstverständigung; die häufig voluminösen Bände stellen heute wichtige Quellen dar.[96] Die „Tendenz zur gewerkschaftlichen ‚Vereinschronik‘“ geriet mit dem Aufstieg der Sozialgeschichte seit den 1960er-Jahren in die Kritik.[97] Die beiden folgenden Jahrzehnte waren die Blütezeit westdeutscher gewerkschaftsgeschichtlicher Forschungen und zugleich politischer Auseinandersetzungen in der historischen Zunft. Die sogenannte Marburger Gewerkschaftsgeschichte hob aus orthodox-marxistischer Perspektive den Reformismus der Gewerkschaftsführungen als impliziten Verrat an den Revolutionshoffnungen der Mitgliedschaft hervor.[98] Gerhard Beier hingegen betonte die gewerkschaftliche Unabhängigkeit von politischen Parteien und Weltanschauungen und ihre alltägliche Kleinarbeit.[99]

Dieter Langewiesche und Klaus Schönhoven sprachen 1981 von einem „Unbehagen“ an einer „ideen- und organisationsbezogenen Geschichtsschreibung, die sich auf Politik, Programme und Persönlichkeiten der Arbeiterparteien und Gewerkschaften konzentriert“, aber zur Sozialgeschichte von Arbeiter*innen nur wenig beitrage. Mit der Öffnung zur Alltagsgeschichte rückten Gewerkschaften als „Nahtstelle zwischen individueller Lebenslage und kollektiver Interessenwahrnehmung“ in den Blick.[100] Eine so erneuerte Geschichtsschreibung war vor allem als Sozialgeschichte der Arbeiterschaft konzipiert.

Seit den späten 1990er-Jahren mehrten sich die Klagen, dass sich weder die Gewerkschaften selbst noch die Geschichtswissenschaft für Gewerkschaftsgeschichte interessieren würden.[101] Neue Impulse kamen mit dem Konzept einer „Labour History“ unter praxeologischen Fragestellungen. Mit einer stärkeren Konzentration auf den Betrieb, der Öffnung hin zur Unternehmensgeschichte und der Betonung der technischen Produktionsbedingungen für die gewerkschaftliche Organisierung boten sich neue Forschungsansätze, auch um die „Betriebsferne“ der bisherigen Gewerkschaftsgeschichte zu überwinden.[102] Von einem erneut steigenden Interesse an Arbeitswelten und sozialen Fragen, wie es seit der Finanzkrise 2008 vermehrt zu beobachten ist, profitierte auch die Gewerkschaftsgeschichte.[103] So wird nach Praktiken und Machtverhältnissen innerhalb der Organisationen und Verbindungen mit politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen im Sinne einer neuen Politikgeschichte gefragt. Kultur- und sozialgeschichtliche Perspektiven werden vermehrt miteinander verwoben.[104]

Institutionell setzten insbesondere das Bochumer Institut für soziale Bewegungen und das Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn gewerkschaftsgeschichtliche Impulse. Die Archivbestände der DGB-Gewerkschaften finden sich in Bonn, mit Ausnahme der heutigen IG BCE und ihrer Vorläufer, deren Materialien in Bochum archiviert werden; FDGB-Akten liegen im SAPMO-Bestand des Bundesarchivs Berlin. Die Friedrich-Ebert-Stiftung publiziert seit 1976 eine Bibliografie zur Geschichte der Arbeiterbewegung[105] sowie die Quellenedition zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert.[106] Eine Einführung vermittelt eine von der Hans-Böckler-Stiftung betriebene Website zur Gewerkschaftsgeschichte.[107] Die Erweiterung gewerkschaftsgeschichtlicher Perspektiven um kulturgeschichtliche Ansätze wurde unterstützt durch die Integration sozialer Bewegungsforschung in die Geschichtswissenschaft.[108] Seit 2009 zeigten sich auf bisher sechs Tagungen über neue Perspektiven der Gewerkschaftsgeschichte, die von der Hans-Böckler-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung organisiert wurden, innovative, meist von jüngeren Historiker*innen erprobte Ansätze zur Gewerkschaftsgeschichte.[109]

Seit den 1960er-Jahren entstanden auch internationale Forschungsverbünde. Dazu zählt die International Conference of Labour and Social History (ITH), die seit 1964 auf jährlichen Tagungen in Linz erst als Kontaktforum zwischen ost- und westeuropäischen Forschenden gegründet wurde und bis heute ein weltweites Netzwerk zur Labour History organisiert.[110] Ebenfalls hat sich die International Association of Labour History Institutions (IALHI), 1970 von elf westeuropäischen Archiven und Bibliotheken der Arbeiterbewegung gegründet, als weltweites institutionelles Netzwerk etabliert.[111] Eine treibende Rolle spielte dabei das Internationale Institut für Sozialgeschichte (IISG) in Amsterdam, in dem seit 1935 Archivmaterial auch von verfolgten Arbeiterorganisationen aus Europa gesammelt wird. Mit der European Social Science History Conference (ESSHC) wird alle zwei Jahre eine große europäische Konferenz organisiert. Vom IISG wurden in den letzten zwanzig Jahren Impulse für eine Revitalisierung einer internationalen Labour History gegeben; in Deutschland gründete sich 2018 die German Labour History Association.[112]

Die Geschichte dieser zum Teil noch aus dem Kalten Krieg stammenden Institutionen zeigt den Wandel von der früheren Konzentration auf politische Arbeiterbewegung und männliche Industriearbeit auch auf informelle und prekäre Arbeitsverhältnisse und kulturgeschichtliche Fragestellungen.


Sozialwissenschaftliche Deutungen der Gewerkschaften

Die vielfältigen sozialwissenschaftlichen Darstellungen von Gewerkschaften sind einerseits Quellen, andererseits reflektieren sie mit ihren zeitgenössischen Deutungen das Diskursfeld.[113] Wirkmächtig waren sehr lange „linke“ Deutungen. Karl Marx hatte die Gewerkschaften als Vereinigungen der Arbeiterklasse im „Guerillakrieg zwischen Kapital und Arbeit“ verstanden, die zur Überwindung des Kapitalismus beitragen sollten.[114] Marxistische und linke Interpretationen betonten den „Doppelcharakter“ der Gewerkschaften: einerseits innerhalb des Systems für soziale Verbesserungen einzutreten, andererseits als größte Organisation der Arbeiterklasse für die Überwindung des Kapitalismus zu wirken. Kommunistische und radikale Interpretationen hoben dabei vor allem auf die Trennung zwischen reformorientierten Führungskreisen und den wahren Interessen der Mitglieder ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieser teleologische Grundzug in der DDR historisch kanonisiert.[115]

In Westdeutschland waren politische Emanzipationserwartungen bei linkssozialistischen Autor*innen zu finden, die von den Gewerkschaften einen größeren politischen Gestaltungswillen forderten.[116] In den 1970er-Jahren waren sozialwissenschaftliche Debatten wieder vermehrt neomarxistisch inspiriert und fragten nach dem gesellschaftlich-emanzipatorischen und klassenkämpferischen Charakter der Gewerkschaften, prägnant unter dem Gegensatzpaar „Ordnungsfaktor oder Gegenmacht“ zusammengefasst.[117] Die bundesdeutsche Gewerkschaftssoziologie ließ solche einfachen Gegensätze bald hinter sich und schuf eine Vielzahl von empirisch dichten Erhebungen. Die umfangreichen industrie- und gewerkschaftssoziologischen Interviews werden heute zum Teil einer erneuten Auswertung unterzogen.[118] Die Frage nach dem Emanzipationscharakter trat gegenüber organisationssoziologischen Perspektiven in den Hintergrund.[119] Klaus Schönhoven hat hervorgehoben, dass Gewerkschaftsforschungen seit den 1980er-Jahren vor allem auf innerkapitalistische, nicht antikapitalistische Debatten gerichtet waren.[120]

Ebenfalls schon im 19. Jahrhundert entstanden kapitalismusimmanente Deutungen der Gewerkschaften als Arbeitsmarktpartei durch liberale Sozialreformer und die sogenannten Kathedersozialisten. Aus dieser Perspektive waren Gewerkschaften gegründet worden, um den Wert der Ware Arbeitskraft zu erhöhen, nicht aus politischen Zielen. Der katholische Sozialethiker und Nationalökonom Goetz Briefs war in der Weimarer Republik der prominenteste Vertreter dieser Deutungslinie, die in den liberalen und christlichen Gewerkschaftsbewegungen Widerhall fand.[121]

Linke bzw. marxistische Deutungen repräsentierten eine große Strömung innerhalb der sozialistischen Gewerkschaften und waren für Aktivist*innen eine motivierende Ressource. Aus heutiger Sicht scheinen die funktionalen und organisationssoziologischen Deutungen besser die gewerkschaftliche Praxis zu erfassen. Theodor Geiger hatte 1949 die „Institutionalisierung des Klassengegensatzes“ mithilfe der Gewerkschaften als wesentlichen Faktor zur Lösung sozialer Spannungen gesehen.[122] Der Industriesoziologe Walther Müller-Jentsch prägte 1982 den Begriff der „intermediären Organisation“ für bundesdeutsche Gewerkschaften, die zwischen Mitglieder- und Kapitalinteressen vermittelten.[123] Er sah einen wesentlichen Grund für ihren Einfluss in der eigentümlichen Stellung als freiwillige Mitgliederorganisation mit „quasi-staatliche(n) Hoheitsaufgaben“ im Bereich von Wirtschaft und Arbeitsorganisation. Gleichwohl beruhte der Einfluss immer auch auf der Mitgliederbindung und den Fähigkeiten zur Mobilisierung.[124] Aus wirtschaftsgeschichtlicher Sicht hat Werner Abelshauser die bundesdeutsche Mitbestimmung als einen erheblichen Standortvorteil der deutschen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb gewertet. Für die Unternehmen ergaben sich aufgrund von Planungs- und Rechtssicherheit im Konflikt zwischen Arbeit und Kapital institutionelle Kostenvorteile.[125]

Angesichts der vielfältigen Bezüge und politischen Rahmungen kann eine Definition von Gewerkschaften niemals umfassend sein.[126] Es bleibt der grundlegende Aspekt, dass abhängig Beschäftigte sich in den Gewerkschaften Organisationen zur Durchsetzung ihrer Interessen schufen. Wie diese exakt aussahen und wie sie umgesetzt wurden, differiert erheblich über Zeiten, Branchen und Regionen.


Zeitgeschichtliche Themen und Perspektiven

Die gewerkschaftsgeschichtliche Meistererzählung für die Bundesrepublik beschreibt den sozialen Aufstieg der Arbeiterschaft, den die Gewerkschaften befördert und begleitet haben und der im selben Moment zur Erosion des früheren Arbeitermilieus beigetragen habe. Allerdings wird dies als widersprüchlicher Erfolg erzählt, da die erstrebten Ziele nur Kompromisse gewesen seien, sie ständig gefährdet blieben und dem früheren Milieuzusammenhang gelegentlich hinterhergetrauert worden sei.[127] Der soziale Aufstieg sollte jedoch eher der analytische Ausgangs- als der Schlusspunkt einer Gewerkschaftsgeschichte sein: zum einen, weil eine Entproletarisierung angesichts der sie begleitenden neuen sozialen Ungleichheiten und Exklusionen auf dem Arbeitsmarkt mit prekärer Beschäftigung oder migrantischer Leiharbeit auch tiefschwarze Schattenseiten hatte und hat.[128] Die sozialen Verwerfungen im Strukturwandel seit den 1970er-Jahren, der häufig als Übergang von einer Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft verstanden wird, lassen sich kaum linear als Erfolg erzählen.[129]

Zum anderen sollte berücksichtigt werden, dass das soziale Profil der Gewerkschaften lange Zeit von männlichen Industriearbeitern geprägt war und Exklusion von anderen Beschäftigtengruppen ein selten offen propagiertes, aber faktisch praktiziertes Phänomen war. Geschlechtergeschichtliche Perspektiven sind bisher zumeist auf das Engagement von Frauen in den Gewerkschaften gerichtet.[130] Susanne Kreutzer hat für den Pflegebereich anschaulich den gewerkschaftlichen Einfluss bei der Professionalisierung der Krankenpflegetätigkeiten und organisationsinterne Konflikte nachgezeichnet, Uwe Fuhrmann in einem biografischen Zugang den Ausschluss von Frauen im Kaiserreich untersucht.[131] Eine geschlechtergeschichtliche Perspektive hieße auch, Inszenierungen der männlichen Arbeit in den Blick zu nehmen[132] oder die geschlechtliche Komponente von Rationalisierung und Disziplinierung zu erzählen.[133] Tarifpolitisch ist erst in den 1990er-Jahren die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ und die Abkehr vom Ein-Ernährer-Modell auf die gewerkschaftliche Agenda gerückt.[134]

Eine organisationsgeschichtliche Schieflage ist für den Deutschen Beamtenbund mit seiner Vielzahl von Einzelverbänden zu konstatieren, bei denen vor allem die durch Streiks prominent gewordene Gewerkschaft der Lokomotivführer sozialwissenschaftliche Beachtung gefunden hat.[135] Auch der christlich-soziale Flügel im DGB hat nur vereinzelt historiografische Aufmerksamkeit gefunden.[136] Organisationsgeschichtlich fehlen vor allem kritische Darstellungen einzelner Gewerkschaften, in denen innere Konflikt- und Machtverhältnisse verdeutlicht werden und die als empirisches Gerüst für andere Arbeiten dienen können.[137] Dies gilt im besonderen Maße für die jüngste Zeitgeschichte. Auch wenn die Mitgliedermobilisierung für Gewerkschaften als intermediäre Organisation wichtig für die Durchsetzungskraft bleibt, weist die Entwicklung der letzten Jahrzehnte darauf hin, dass die gewerkschaftliche Praxis eher von arbeitsrechtlicher Expertise geprägt ist als von dem Charakter einer sozialen Bewegung. Die analytische Herausforderung bleibt, dass Gewerkschaften beides in sich vereinen.[138]

Gewerkschaftsgeschichte geht jedoch über die Organisationsgeschichte hinaus. Horizont in den meisten neueren Arbeiten sind Verflechtungen und Beziehungen, oft auch in transnational vergleichender Perspektive. Stefan Müller etwa hat darauf hingewiesen, dass das Forschungsprogramm „Humanisierung der Arbeit“, mit dem seit 1974 neue Arbeitsorganisationen und technische Verbesserungen modellhaft erprobt wurden, nicht nur ein Ergebnis der gewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Forderung nach mehr Lebensqualität war, sondern auch Folge von transnationalen Diskursen, und von einem „Reformbündnis aus Staat, Unternehmen und Gewerkschaften“ getragen wurde.[139] Auch in einer Studie zur Arbeitssicherheit geht es um Verflechtungen mit anderen betrieblichen Akteuren, denn im Übergang vom reaktiven zum präventiven Arbeitsschutz in den 1960er-Jahren wuchsen Gewerkschaften neue Vermittlungsaufgaben zu.[140] Untersuchungen zur betrieblichen Sozialpolitik zeichnen den wachsenden Einfluss der Gewerkschaften und Betriebsräte nach, die unter dem Aspekt der Demokratisierung unternehmensgeschichtlich exemplarisch vergleichend ausgeleuchtet wurden.[141] Eine Auseinandersetzung mit Arbeitszeitpolitik und damit gesellschaftlichen Zeitregimen ist ohne gewerkschaftliche Perspektiven kaum zu schreiben,[142] und dabei sollten nicht vorrangig konflikthafte Zuspitzungen in Streiks, sondern gerade auch die Routinen alltäglicher Aushandlungen untersucht werden.[143]

Diese wenigen Beispiele zeigen, dass Gewerkschaftsgeschichte ertragreich ist, um Wandlungsprozesse in den Arbeitswelten zu erfassen. Dabei stehen methodisch vielfältige Ansätze zur Verfügung.[144] Tarifverhandlungen entspringen zum Beispiel nicht allein einer gewerkschaftlichen Vorgabe, sondern einem komplexen Aushandlungsprozess in den Gewerkschaften und zwischen den Tarifparteien.[145] Ohne gesellschaftliche Rückbindungen kann eine neue Gewerkschaftsgeschichte nicht auskommen.

Dies gilt auch für das geschichtswissenschaftliche Feld der Erinnerungsgeschichte. Wovon sind kulturelle und kommunikative Gedächtnisse inner- und außergewerkschaftlich geprägt?[146] Das ubiquitäre „Aus der Geschichte lernen“ war innerhalb der Organisationen von einem instrumentellen und pragmatischen Zugriff geprägt, bei dem vor allem Lehren für die Gegenwart vermittelt werden sollten. Fluchtpunkt in der Bundesrepublik war lange die nach 1945 geschaffene Einheitsgewerkschaft.[147]

Lebensgeschichtliche Interviews mit lokalen Gewerkschafter*innen, aber auch Interviews in einem Quellensicherungsprojekt mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern von Einzelgewerkschaften zeigen ein hohes Maß an Kohärenz in den Erzählmustern und wenig von einem gewerkschaftlichen Niedergang. Die Friedrich-Ebert-Stiftung ermöglicht inzwischen den Zugriff auf rund 150 Interviews mit gewerkschaftlichen Zeitzeug*innen aus der Bundesrepublik und der DDR.[148] Dabei ist es für ehemalige Mitglieder des FDGB oft schwierig, ihre Erfahrungen in die westdeutsch geprägte Erinnerungsgeschichte einzubringen. Detlev Brunner und Christian Hall haben dieses Spannungsfeld in lebensgeschichtlichen Interviews von Gewerkschafter*innen, die nach 1990 für DGB-Gewerkschaften tätig waren, aufgezeigt.[149]

Auch für die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Geschichte stehen tiefergehende Analysen noch aus. Die gewerkschaftliche Publizistik der beiden Nachkriegsjahrzehnte zeigt ähnliche Verlaufe wie in der gesamten Gesellschaft: eher Schweigen in den 1950er-Jahren und zunehmende Thematisierung mit den NS-Prozessen ab 1958.[150] Konflikthaft scheint unter anderem die Integration des Zivilisationsbruchs der Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden in eine gewerkschaftliche Fortschritts- und Zukunftsorientierung zu sein.[151] Erste Hinweise auf NS-belastete Gewerkschafter in der Nachkriegszeit sprechen für einen eher pragmatischen Umgang damit in den Organisationen.[152]

Auch künftig wird es zu den Aufgaben der Gewerkschaftsgeschichte gehören, Grundlagen und Deutungslinien einer Organisationsgeschichte vorzulegen, aus denen die Verflechtungen der Interessenorganisationen in ihrem Umfeld – vom Betrieb bis zum globalen Unternehmen, vom Stadtrat bis zu internationalen Gremien – erkennbar werden. Für die jüngere Zeitgeschichte ist dabei vor allem die Transformation seit den 1970er-Jahren in Rechnung zu stellen, mit der Gewerkschaften nicht mehr vorrangig Repräsentanten eines spezifischen sozialen Milieus waren, sondern zu Interessenvertretungen von sozial stark gespreizten Gruppen der abhängig Beschäftigten wurden. Eine Organisationsgeschichte muss ebenso interne Machtbeziehungen und In- wie Exklusionsprozesse untersuchen, um ein kritisches Gesamtbild zu gewinnen. Dabei geht es nicht um ein Nischenthema, wie Karl Christian Führer treffend beschreibt: „Tarifverträge waren und sind […] immer Gesellschaftspolitik; ihre Bestimmungen hatten und haben unmittelbare Bedeutung für die konkrete Lebensgestaltung der Arbeitnehmer, für die sie gelten.“[153] In diesem Sinne sind Gewerkschaften ein wichtiger Aspekt für eine Gesellschaftsgeschichte.


Empfohlene Literatur zum Thema

Helga Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert, Berlin 2007

Werner Milert/Rudolf Tschirbs, Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland 1848-2008, Essen 2012

Hans-Wolfgang Platzer u.a. (Hrsg.), Die globalen und europäischen Gewerkschaftsverbände. Handbuch und Analysen zur transnationalen Gewerkschaftspolitik (2 Bde.), Berlin 2009

Michael Ruck (Hrsg.), Gegner – Instrument – Partner. Gewerkschaftliche Staatsverständnisse vom Industrialismus bis zum Informationszeitalter, Baden-Baden 2017

Michael Schneider, Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 2000

Wolfgang Schroeder/Bernhard Weßels (Hrsg.), Die Gewerkschaften in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, Wiesbaden 2003, (2., überarbeitete Auflage unter dem Titel: Wolfgang Schroeder, (Hrsg.) unter Mitarbeit von Samuel Greef, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, Wiesbaden ²2014)

Klaus Schönhoven, Die deutschen Gewerkschaften, Frankfurt a.M. 1987

Zitation
Knud Andresen, Gewerkschaftsgeschichte, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 26.8.2021, URL: http://docupedia.de/zg/Andresen_gewerkschaftsgeschichte_v1_de_2021

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Anmerkungen

    1. Siehe z.B. zur bis heute andauernden Popularität von Willi Bleicher den Ortsrundgang auf seinen Spuren im Stadtbezirk Untertürkheim, online unter http://www.wirtemberg.de/willi-bleicher.htm [20.07.2021].
    2. Als Überblick und zugleich beredtes Beispiel für den Krisendiskurs mag dienen: Robert Lorenz, Gewerkschaftsdämmerung. Geschichte und Perspektiven deutscher Gewerkschaften, Bielefeld 2013.
    3. Jürgen Kocka, Arbeiterbewegungen in der europäischen Erinnerung des 20. Jahrhunderts: Ein Aufriss, in: Jürgen Mittag/Berthold Unfried (Hrsg.), Arbeiter- und soziale Bewegungen in der öffentlichen Erinnerung. Eine globale Perspektive, Wien 2011, S. 53-61, hier S. 60.
    4. Mit ausführlichen Zahlen: Bernhard Ebbinghaus, Die Mitgliederentwicklung deutscher Gewerkschaften im historischen und internationalen Vergleich, in: Wolfgang Schroeder/Bernhard Weßels (Hrsg.), Die Gewerkschaften in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, Wiesbaden 2003, S. 174-203 (2., überarbeitete Auflage 2014).
    5. Eine politologische Überblicksdarstellung zu transnationalen Verbänden insbesondere seit den 1990er-Jahren, mit historischen Rückblicken: Hans-Wolfgang Platzer/Torsten Müller unter Mitarbeit von Stefan Rüb, Thomas R. Oettgen, Matthias Helmer, Die globalen und europäischen Gewerkschaftsverbände. Handbuch und Analysen zur transnationalen Gewerkschaftspolitik (2 Bde.), Berlin 2009.
    6. Als konzisen Überblick auch der Wandlungen vgl. Helga Grebing, Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Von der Revolution 1848 bis ins 21. Jahrhundert, Berlin 2007.
    7. Michael Schneider, Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 2000, S. 16.
    8. Vgl. Rüdiger Hachtmann, Überlegungen zur Vergleichbarkeit von Deutscher Arbeitsfront und Freiem Deutschen Gewerkschaftsbund, in: Günther Heydemann/Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Diktaturen in Deutschland – Vergleichsaspekte: Strukturen, Institutionen und Verhaltensweisen, Bonn 2003, S. 366-396, online unter https://zeitgeschichte-digital.de/doks/frontdoor/deliver/index/docId/886/file/hachtmann_vergleichbarkeit_daf_fdg_2003_de.pdf [20.07.2021].
    9. Die gelben Gewerkschaften waren ein Phänomen im Kaiserreich und in der frühen Weimarer Republik, zu denen es kaum neuere Forschungen gibt. Grundlegend: Klaus Mattheier, Die Gelben. Nationale Arbeiter zwischen Wirtschaftsfrieden und Streik, Düsseldorf 1973.
    10. Obwohl Gewerkschaften bei wilden Streiks meist eine Rolle spielten. Vgl. Peter Birke, Wilde Streiks im Wirtschaftswunder. Arbeitskämpfe, Gewerkschaften und soziale Bewegungen in der Bundesrepublik und Dänemark, Frankfurt a.M. 2007.
    11. Josef Esser, Funktionen und Funktionswandel der Gewerkschaften in Deutschland, in: Schroeder/Weßels (Hrsg.), Gewerkschaften, S. 65-85, S. 64.
    12. Vgl. Michael Ruck (Hrsg.), Gegner – Instrument – Partner. Gewerkschaftliche Staatsverständnisse vom Industrialismus bis zum Informationszeitalter, Baden-Baden 2017.
    13. Als konziser Überblick: Andrea Komlosy, Arbeit. Eine globalhistorische Perspektive. 13. bis 21. Jahrhundert, Wien 2014; programmatisch: Marcel van der Linden, Workers of the World: Essays toward a Global Labor History, Leiden 2008; dt. ders., Workers of the World. Eine Globalgeschichte der Arbeit, Frankfurt a.M. 2017.
    14. Als Überblick: Werner Reutter/Peter Rütters, Internationale und europäische Gewerkschaftsorganisationen: Geschichte, Struktur und Einfluss, in: Schroeder/Weßels (Hrsg.), Gewerkschaften, S. 512-542.
    15. Die umfangreichste Darstellung zur deutschen Gewerkschaftsgeschichte bei: Michael Schneider, Kleine Geschichte der Gewerkschaften. Ihre Entwicklung in Deutschland von den Anfängen bis heute, Bonn 2000. Weitere Überblickswerke: Klaus Schönhoven, Die deutschen Gewerkschaften, Frankfurt a.M. 1987; Hans-Otto Hemmer/Kurt Thomas Schmitz (Hrsg.), Geschichte der Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland. Von den Anfängen bis heute, Köln 1990.
    16. Vgl. Klaus Schönhoven, Expansion und Konzentration. Studien zur Entwicklung der Freien Gewerkschaften im Wilhelminischen Deutschland 1890 bis 1914, Stuttgart 1980.
    17. Vgl. Karl-Christian Führer, Arbeitslosigkeit und die Entstehung der Arbeitslosenversicherung in Deutschland. 1902-1927, Berlin 1990, S. 55.
    18. Vgl. Leonardi Salvo, Gewerkschaften und Wohlfahrtsstaat: Das Gent-System, WSI-Mitteilungen 2/2006, S. 79-85, online unter https://www.wsi.de/data/wsimit_2006_02_leonardi.pdf [20.07.2021].
    19. Schneider, Geschichte, S. 114.
    20. Schneider, Geschichte, S. 100-104.
    21. Grundlegend: Karl-Christian Führer, Carl Legien 1861-1920. Ein Gewerkschafter im Kampf um ein „möglichst gutes Leben“ für alle Arbeiter, Essen 2009; Klaus Schönhoven, Soziale Gerechtigkeit als reformpolitische Perspektive. Zum Staatsverständnis der sozialdemokratischen Gewerkschaftsbewegung 1848 bis 1914, in: Ruck (Hrsg.), Gegner, S. 21-42.
    22. Josef Mooser, Revolution oder Reform? Revisionismusstreit und Massenstreikdebatte 1890 bis 1914, in: Anja Kruke/Meik Woyke (Hrsg.), Deutsche Sozialdemokratie in Bewegung. 1848 – 1863 – 2013, Bonn ²2013, S. 78-87.
    23. Marco Swiniartzki, Der Deutsche Metallarbeiter-Verband 1891-1933. Eine Gewerkschaft im Spannungsfeld zwischen Arbeitern, Betrieb und Politik, Köln/Weimar 2017.
    24. Rudolf Brack, Deutscher Episkopat und Gewerkschaftsstreit 1900-1914, Köln/Wien 1976.
    25. Zu diesem Komplex: Karl Christian Führer/Jürgen Mittag/Axel Schildt/Klaus Tenfelde (Hrsg.), Revolution und Arbeiterbewegung in Deutschland 1918-1920, Essen 2013.
    26. Irmgard Steinisch, Arbeitszeitverkürzung und sozialer Wandel. Der Kampf um die Achtstundenschicht in der deutschen und amerikanischen Eisen- und Stahlindustrie 1880-1929, Berlin/New York 1986, S. 464-489; Andrea Rehling, Konfliktstrategie und Konsenssuche in der Krise. Von der Zentralarbeitsgemeinschaft zur Konzertierten Aktion, Baden-Baden 2011, S. 142-169.
    27. Vgl. als Überblick: Werner Müller, Lohnkampf, Massenstreik, Sowjetmacht. Ziele und Grenzen der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) in Deutschland, 1928 bis 1933. Vorwort Hermann Weber. Bund, Köln 1988; sowie für die Probleme von Kommunist*innen bei der Umsetzung: Klaus-Michael Mallmann, Kommunisten in der Weimarer Republik. Sozialgeschichte einer revolutionären Bewegung, Darmstadt 1996, S. 312-326.
    28. Wirtschaftsdemokratie. Ihr Wesen, Weg und Ziel, hg. im Auftrag des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes von Fritz Naphtali, Berlin 1928.
    29. Gunnar Stollberg, Die Rationalisierungsdebatte 1908-1933. Freie Gewerkschaften zwischen Mitwirkung und Gegenwehr, Frankfurt a.M. 1981; Rüdiger Hachtmann, Gewerkschaften und Rationalisierung. Die 1970er-Jahre – ein Wendepunkt?, in: Knud Andresen/Ursula Bitzegeio/Jürgen Mittag (Hrsg.), „Nach dem Strukturbruch?“ Kontinuität und Wandel von Arbeitsbeziehungen und Arbeitswelt(en) seit den 1970er-Jahren, Bonn 2011, S. 181-209, online unter https://doks.zeitgeschichte-digital.de/doks/frontdoor/index/index/year/2017/docId/1067 [20.07.2021].
    30. Hier sticht insbesondere der antisemitische Deutschnationale-Handlungsgehilfen-Verband (DHV) hervor, der ein früher Unterstützer der NSDAP war. Als ältere Übersicht: Iris Hamel, Völkischer Verband und nationale Gewerkschaft. Der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband 1893-1933, Frankfurt a.M. 1967.
    31. Vgl. zu den Abläufen: Michael Schneider, Unterm Hakenkreuz. Arbeiter und Arbeiterbewegung 1933 bis 1939, Bonn 1999, S. 91-104; Gerhard Beier, Das Lehrstück vom 1. und 2. Mai 1933, Frankfurt a.M. 1975; Manfred Scharrer (Hrsg.), Kampflose Kapitulation. Arbeiterbewegung 1933, Reinbek bei Hamburg 1984. Als jüngere Veröffentlichung unter erinnerungsgeschichtlichen Fragestellungen: Stefan Berger (Hrsg.), Gewerkschaftsgeschichte als Erinnerungsgeschichte. Der 2. Mai 1933 in der gewerkschaftlichen Erinnerung und Positionierung, Essen 2015.
    32. Zur älteren These: Gerhard Beier, Die illegale Reichsleitung der Gewerkschaften 1933-1945, Köln 1981; dagegen: Willy Buschak, Arbeit im kleinsten Zirkel. Gewerkschaften im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Essen 2015 (Neuauflage); Siegfried Mielke/Stefan Heinz (Hrsg.) unter Mitarbeit von Marion Goers, Funktionäre des Deutschen Metallarbeiterverbandes im NS-Staat. Widerstand und Verfolgung, Berlin 2012.
    33. Siegfried Mielke/Matthias Frese (Bearb.), Die Gewerkschaften im Widerstand und in der Emigration 1933-1945, Frankfurt a.M. 1999.
    34. Helke Stadtland, Herrschaft nach Plan und Macht der Gewohnheit. Sozialgeschichte der Gewerkschaften in der SBZ/DDR 1945-1953, Essen 2001; Detlev Brunner, Sozialdemokraten im FDGB. Von der Gewerkschaft zur Massenorganisation, 1945 bis in die frühen 1950er Jahre, Essen 2000.
    35. Zu den Feldern Tourismus und Kultur siehe zwei Arbeiten, in denen die zentrale Rolle des FDGB beschrieben wird: Annette Schuhmann, Kulturarbeit im sozialistischen Betrieb. Gewerkschaftliche Erziehungspraxis in der SBZ/DDR 1946 bis 1970, Köln 2006, und Christopher Görlich, Urlaub vom Staat. Tourismus in der DDR, Köln 2012.
    36. Ulrich Gill, FDGB. Die DDR-Gewerkschaft von 1945 bis zu ihrer Auflösung 1990, Köln 1990.
    37. Renate Hürtgen, Zwischen Disziplinierung und Partizipation. Vertrauensleute des FDGB im DDR-Betrieb, Köln 2005.
    38. Bernd Gehrke/Renate Hürtgen (Hrsg.), Der betriebliche Aufbruch im Herbst 1989. Die unbekannte Seite der DDR-Revolution. Diskussion – Analysen – Dokumente, Berlin 2001.
    39. Klaus Schönhoven/Hermann Weber (Hrsg.), Die Interzonenkonferenzen der deutschen Gewerkschaften 1946-1948, eingeleitet und bearbeitet von Werner Müller, Bonn 2007; Jens Hildebrandt, Gewerkschaften im geteilten Deutschland. Die Beziehungen zwischen DGB und FDGB vom Kalten Krieg bis zur Neuen Ostpolitik 1955 bis 1969, St. Ingbert 2010; Heike Amos, Die West-Arbeit der SED 1948/49-1961, Berlin 1999. Für die späteren Jahre: Stefan Müller, Die Ostkontakte der westdeutschen Gewerkschaften. Entspannungspolitik zwischen Zivilgesellschaft und internationaler Politik 1969 bis 1989, Bonn 2020.
    40. Mit weiterführender Literatur: Siegfried Mielke, Der Wiederaufbau der Gewerkschaften. Legenden und Wirklichkeiten, in: Geschichte und Gesellschaft. Sonderheft 5, 1979: Politische Weichenstellungen im Nachkriegsdeutschland 1945-1953, S. 74-87.
    41. Hans-Peter Müller, Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft im Wettbewerb mit dem DGB. Geschichte der DAG 1947-2001, Baden-Baden 2011.
    42. Der in den 1980er-Jahren beklagte Mangel einer Geschichte des Deutschen Beamtenbundes ist bis heute nicht behoben. Vgl. als erste Spuren: Carl August Lückerath (Hrsg.), Berufsbeamtentum und Beamtenorganisationen. Geschichtliche Wirklichkeit im Widerspruch? Köln 1987; Thomas Kröker/Walter Schmitz, Lebensbilder der Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes, Köln 1992. Zur Weimarer Republik: Dieter Schütz, Zwischen Standesbewußtsein und gewerkschaftlicher Orientierung. Beamte und ihre Interessensverbände in der Weimarer Republik, Baden-Baden 1992.
    43. Wolfgang Schroeder, Katholizismus und Einheitsgewerkschaft. Der Streit um den DGB und der Niedergang des Sozialkatholizismus in der Bundesrepublik bis 1960, Bonn 1992, S. 404.
    44. Als konziser arbeitsrechtlicher Überblick: Wolfgang Hromadka, Von den Protoangestellen zur Angestelltengesellschaft, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 102 (2015), Heft 1, S. 5-29.
    45. Karl Lauschke, Die halbe Macht. Mitbestimmung in der Eisen- und Stahlindustrie 1945 bis 1989, Essen 2007.
    46. Julia Angster, Konsenskapitalismus und Sozialdemokratie. Die Westernisierung von SPD und DGB, München 2003.
    47. Sozialgeschichtlich immer noch grundlegend: Josef Mooser, Arbeiterleben in Deutschland 1900-1970. Klassenlagen, Kultur und Politik, Frankfurt a.M. 1984.
    48. Als Einzelfallstudie: Knud Andresen, Wandel einer sozialen Bewegung. Gewerkschaftliche Mai-Kundgebungen in Hamburg. Stichtag: 1. Mai 1969, in: Forschungsstelle für Zeitgeschichte (Hrsg.), 19 Tage Hamburg. Ereignisse und Entwicklungen der Stadtgeschichte seit den fünfziger Jahren, Hamburg 2012, S. 145-159.
    49. Vgl. Werner Milert/Rudolf Tschirbs, Die andere Demokratie. Betriebliche Interessenvertretung in Deutschland 1848-2008, Essen 2012, bes. S. 462-476.
    50. Vgl. Knud Andresen, Gebremste Radikalisierung. Die IG Metall und ihre Jugend 1968 bis in die 1980er Jahre, Göttingen 2016; Peter Birke, Demokratisierung von Erinnerungskultur. Der Septemberstreik 1969 bei Hoesch, Arbeitspapier aus der Kommission „Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie“, (Bochum) 2019, https://www.boeckler.de/pdf/p_ek_ap_05_2019.pdf [20.07.2021].
    51. Wolfgang Schroeder, Gewerkschaften als soziale Bewegung – soziale Bewegung in den Gewerkschaften in den Siebzigerjahren, in: Archiv für Sozialgeschichte Nr. 44 (2004), S. 243-265, S. 244.
    52. Vgl. Ulf Teichmann, Erinnerungspolitik zwischen Gewerkschaften und Neuen Sozialen Bewegungen, Arbeitspapier aus der Kommission „Erinnerungskulturen der sozialen Demokratie“, (Bochum) 2020, https://www.boeckler.de/download-proxy-for-faust/download-pdf?url=http%3A%2F%2F217.89.182.78%3A451%2Fabfrage_digi.fau%2Fp_ek_ap_17_2020.pdf%3Fprj%3Dhbs-abfrage%26ab_dm%3D1%26ab_zeig%3D9064%26ab_diginr%3D8482 [20.07.2021].
    53. Vgl. Stefan Remeke, Gewerkschaften und Sozialgesetzgebung. DGB und Arbeitnehmerrechte in der Reformphase der sozialliberalen Koalition, Essen 2005.
    54. Vgl. Klaus Kempter, Gefolgschaft, Kooperation und Dissens. Die Gewerkschaften in der sozialliberalen Ära 1969-1982, in: Oliver von Mengersen u.a. (Hrsg.), Personen – Soziale Bewegungen ‒ Parteien. Beiträge zur Neuesten Geschichte. Festschrift für Hartmut Soell, Heidelberg 2004, S. 281-298.
    55. Vgl. Karl Lauschke, Mehr Demokratie in der Wirtschaft. Die Entstehungsgeschichte des Mitbestimmungsgesetzes von 1976, 2 Bde., Düsseldorf 2006.
    56. Vgl. zum Mitbestimmungsgesetz: Bernhard Gotto, Enttäuschung in der Demokratie. Erfahrung und Deutung von politischem Engagement in der Bundesrepublik Deutschland während der 1970er und 1980er Jahre, Berlin 2018.
    57. Vgl. Bernhard Ebbinghaus/Claudia Göbel, Mitgliederrückgang und Organisationsstrategien deutscher Gewerkschaften, in: Wolfgang Schroeder (Hrsg.) unter Mitarbeit von Samuel Greef, Handbuch Gewerkschaften in Deutschland, Wiesbaden ²2014, S. 207-239. Dort auch das Folgende.
    58. Ebbinghaus, Mitgliederentwicklung, S. 194-197.
    59. Oliver Trede, Zwischen Misstrauen, Regulation und Integration. Gewerkschaften und Arbeitsmigration in der Bundesrepublik und in Großbritannien in den 1960er und 70er Jahren, Paderborn 2015, bes. S. 267-280.
    60. Mit wichtigem Blick auf die agency der Migrant*innen: Simon Goeke, „Wir sind alle Fremdarbeiter!“ Gewerkschaften, migrantische Kämpfe und soziale Bewegungen in Westdeutschland 1960-1980, Paderborn 2020.
    61. Wolfgang Schroeder/Bernhard Weßels, Das deutsche Gewerkschaftsmodell im Transformationsprozess: Die neue deutsche Gewerkschaftslandschaft, in: Schroeder/Weßels (Hrsg.), Gewerkschaften, S. 11-37, hier S. 22.
    62. Als transnationale Vergleichsstudie siehe Arne Hordt, Kumpel, Kohle und Krawall. Miners’ Strike und Rheinhausen als Aufruhr in der Montanregion, Göttingen 2018.
    63. Vgl. Wolfgang Streeck, Gewerkschaftliche Organisationsprobleme in der sozialstaatlichen Demokratie, Königstein/Taunus 1981, S. 1-9.
    64. Vgl. Rehling, Konfliktstrategie.
    65. Kritisch zu einem inkrementellen Wandel des Bedeutungsinhalts der Tarifautonomie: Thilo Fehmel, Konflikte um den Konfliktrahmen. Die Steuerung der Tarifautonomie, Wiesbaden 2010.
    66. Vgl. Ingrid Artus, Krise des deutschen Tarifsystems. Die Erosion des Flächentarifvertrages in Ost und West, Wiesbaden 2001.
    67. Vgl. Dimitrij Owetschkin, Vom Verteilen zum Gestalten. Geschichte der betrieblichen Mitbestimmung in der westdeutschen Automobilindustrie nach 1945, Bielefeld 2016; zur innergewerkschaftlichen Diskussion dieser Entwicklung siehe Udo Klitzke/ Heinrich Betz/Mathias Mörike (Hrsg.), Vom Klassenkampf zum Co-Management? Perspektiven gewerkschaftlicher Betriebspolitik, Hamburg 2000. Volkswagen gilt hier als Leuchtturm, vgl. die Schrift des ehemaligen Referenten des Betriebsrats Werner Widuckel, Paradigmenentwicklung der Mitbestimmung bei Volkswagen, Wolfsburg 2004, online unter https://www.volkswagenag.com/presence/konzern/documents/history/deutsch/FPD1_DE.pdf [20.07.2021]; zu aktuellen Tendenzen: Thomas Haipeter, Interessenvertretung bei Volkswagen. Neue Konturen einer strategischen Mitbestimmung, Hamburg 2019.
    68. Vgl. Schroeder/Weßels, Das deutsche Gewerkschaftsmodell im Transformationsprozess, in: dies., Gewerkschaften, S. 11-37, bes. S. 19; Wolfgang Schroeder/Dorothea Keudel, Strategische Akteure in drei Welten. Die deutschen Gewerkschaften im Spiegel der neueren Forschung, Düsseldorf 2008. https://www.boeckler.de/pdf/p_edition_hbs_219.pdf [20.07.2021].
    69. Vgl. Kurt Thomas Schmitz, Die IG Metall nach dem Boom. Herausforderungen und strategische Reaktionen, Bonn 2020, S. 122-127.
    70. Siehe Kay Ohl, Tarifpolitik als Kernelement autonomer Gestaltungsmacht, in: Jörg Hofmann/Christiane Benner (Hrsg.), Geschichte der IG Metall. Zur Entwicklung von Autonomie und Gestaltungskraft, Frankfurt a.M. 2019, S. 229-267, hier bes. S. 255-259.
    71. Als eigener Forschungsstrang zu Genossenschaftsgeschichte siehe die vielen Publikationen der Heinrich-Kaufmann-Stiftung: http://www.kaufmann-stiftung.de/ [20.07.2021].
    72. Vgl. Peter Kramper, Neue Heimat. Unternehmenspolitik und Unternehmensentwicklung im gewerkschaftlichen Wohnungs- und Städtebau 1950-1982, Stuttgart 2008; zur Abwicklung der Gemeinwirtschaft siehe Werner Abelshauser, Nach dem Wirtschaftswunder. Der Gewerkschafter, Politiker und Unternehmer Hans Matthöfer, Bonn 2009, S. 567-668.
    73. Siehe den kritischen Einwurf: Hans-Hermann Hertle/Rainer Weinert, Der Rückzug aus der Fläche – vom allmählichen Verschwinden der Gewerkschaft, in: Leviathan 18 (1990), H. 1, S. 144-165.
    74. Vgl. Detlev Brunner/Michaela Kuhnhenne/Hartmut Simon, Gewerkschaften im Deutschen Einheitsprozess. Eine Einleitung, in: dies. (Hrsg.), Gewerkschaften im deutschen Einheitsprozess. Möglichkeiten und Grenzen in Zeiten der Transformation, Bielefeld 2017, S. 9-16, hier S. 11.
    75. Vgl. Ingrid Artus, Tarifpolitik in der Transformation. Oder: Das Problem „stellvertretender Tarifautonomie“, in: Brunner/Kuhnhenne/Simon (Hrsg.), Gewerkschaften, S. 151-168.
    76. 1989 entstand die IG Medien aus der IG Druck und Papier und der IG Kunst; 1996 die IG Bauen-Agrar-Umwelt aus der IG Bau-Steine-Erden und Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Fortwirtschaft; 1997 die IG Bergbau, Chemie, Energie aus der IG Bergbau und Energie, IG Chemie-Papier-Keramik und Gewerkschaft Leder. Die Gewerkschaften Textil-Bekleidung sowie Holz und Kunststoff schlossen sich 1998 bzw. 2000 der IG Metall an. 2001 gründete sich ver.di aus der Deutschen Postgewerkschaft, der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, der IG Medien, der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr sowie der DAG.
    77. Vgl. als politologische Studien: Viktoria Kalass, Neue Gewerkschaftskonkurrenz im Bahnwesen. Konflikt um die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, Wiesbaden 2012; Samuel Greef, Die Transformation des Marburger Bundes. Vom Berufsverband zur Berufsgewerkschaft, Wiesbaden 2012.
    78. Vgl. Jürgen Prott/Axel Keller, Hauptamtliche – Zerreißproben örtlicher Gewerkschaften, Münster 22002.
    79. Manfred Wilke, Gewerkschaftsjugend in der Krise, in: Rolf Ebbighausen/Friedrich Tiemann (Hrsg.), Das Ende der Arbeiterbewegung in Deutschland? Ein Diskussionsband zum 60. Geburtstag von Theo Pirker, Opladen 1984, S. 491-512, hier S. 505.
    80. Darauf wies schon früh hin: Ulrich Borsdorf, Historische Wandlungsprozesse im gewerkschaftlichen Führungspersonal, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 29 (1978), S. 602-616.
    81. Als „ehernes Gesetz der Oligarchie“ bereits anhand der deutschen Arbeiterbewegung im späten Kaiserreich organisationsoziologisch formuliert von: Robert Michels, Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens, Leipzig 1911; Theodor Cassau, Das Führerproblem innerhalb der Gewerkschaften, Berlin 1925.
    82. Vgl. Jörn Pyhel, Gewerkschaftliche Mitgliedschaftsloyalität. Eine empirische Analyse der IG Metall-Mitgliederbindung in der Fahrzeugindustrie und im Maschinenbau, Kassel 2008.
    83. Hartmut Kaelble, Sozialgeschichte Europas. 1945 bis zur Gegenwart, Bonn 2007; Lutz Raphael, Jenseits von Kohle und Stahl. Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom, Berlin 2019, bes. S. 213-225.
    84. Van der Linden, Workers, S. 363.
    85. Daniel Maul, Menschenrechte, Sozialpolitik und Dekolonisation. Die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) 1940-1970, Essen 2007; ders., Der transnationale Blick. Die Internationale Arbeitsorganisation und die sozialpolitischen Krisen Europas im 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte 47 (2007), S. 349-369, online unter https://www.fes.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=46915&token=38b53dd905ae6e1a71a19b1d9ddd135f0fbd08ff [20.07.2021].
    86. Als Überblick: Willy Buschak, Der Europäische Gewerkschaftsbund und die Europäischen Gewerkschaftsverbände, in: Europäische Gewerkschaftsorganisationen – Bestände im Archiv der sozialen Demokratie und in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung, hg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Uwe Optenhögel, Michael Schneider und Rüdiger Zimmermann, Bonn 2003, S. 9-19, online unter http://library.fes.de/library/netzquelle/eugew/geschichte/pdf/buschak.pdf [20.07.2021].
    87. Vgl. Yves Clairmont, Vom europäischen Verbindungsbüro zur transnationalen Gewerkschaftsorganisation. Organisation, Strategien und Machtpotentiale des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes bis 1990, Stuttgart 2014.
    88. Vgl. ebd., S. 259-306.
    89. Reutter/Rütters, Gewerkschaftsorganisationen, S. 512.
    90. Vgl. Clairmont, Verbindungsbüro; Rainer Fattmann, Für ein soziales Europa. Der Agrar-, Lebensmittel- und Tourismusbereich in der europäischen Gewerkschaftspolitik seit der Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Münster 2013.
    91. Vgl. Jacob Dahl Rendtorff, Cosmopolitan Business Ethics. Towards a Global Ethos of Management, London/New York 2017.
    92. Johanna Wolf, Assurances of Friendship. Transnationale Wege von Metallgewerkschaftern in der Schiffbauindustrie 1950-1980, Göttingen 2018.
    93. Vgl. mit weiterführender Literatur: Marcus Engler, Zur Entstehung europäischer Solidarität. Eine soziologische Analyse der Gewerkschaften bei Airbus im Konflikt, Wiesbaden 2016.
    94. Vgl. Thomas Fetzer, European Works Councils as Risk Communities: The Case of General Motors, in: European Journal of Industrial Relations 14 (2008), Nr. 3, S. 289-308, online unter https://hal.archives-ouvertes.fr/hal-00570981/document [20.07.2021].
    95. Vgl. Owetschkin, Verteilen.
    96. Zum Beispiel: Heinrich Laufenberg, Geschichte der Arbeiterbewegung in Hamburg, Altona und Umgegend, 2 Bde., Hamburg 1911 und 1931.
    97. Gerhard Beier, Glanz und Elend der Jubiläumsliteratur. Kritische Bestandsaufnahme bisheriger Historiographie der Berufs- und Industriegewerkschaften, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 19 (1968), H. 10, S. 607-614, hier S. 608, online unter http://library.fes.de/gmh/main/pdf-files/gmh/1968/1968-10-a-607.pdf [20.07.2021].
    98. Vgl. Frank Deppe/Georg Fülberth/Hans-Jürgen Harrer, Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung, Köln 1977; für eine starke linke Perspektive vgl. Karl-Heinz Roth, Die andere Arbeiterbewegung und die Entwicklung der kapitalistischen Repression von 1880 bis zur Gegenwart, München 1974.
    99. Als gute Übersicht zur Auseinandersetzung: Gerhard Beier, Die Wiederentdeckung der Gewerkschaftsgeschichte. Ein aktueller Streit und seine historischen Hintergründe, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 41 (1979), S. 19-36.
    100. Dieter Langewiesche/Klaus Schönhoven (Hrsg.), Arbeiter in Deutschland. Studien zur Lebensweise der Arbeiterschaft im Zeitalter der Industrialisierung, Paderborn 1981; Zitat aus: Klaus Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schroeder/Weßels (Hrsg.), Gewerkschaften, S. 40-64, hier S. 40.
    101. Stefan Remeke, Doch nur ein Strohfeuer? Von der „kurzen“ Geschichtsschreibung über die deutschen Gewerkschaften – ein Zwischenruf, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 36 (2006), S. 105-114, online unter https://moving-the-social.ub.rub.de/index.php/MTS/article/view/7714 [20.07.2021].
    102. Thomas Welskopp, Der Betrieb als soziales Handlungsfeld. Neuere Forschungen zur Industrie- und Arbeitergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 22 (1996), S. 118-142.
    103. Vgl. den Literaturbericht: Kim Christian Priemel, Heaps of Work. The Ways of Labour History, in: H-Soz-Kult, 23.01.2014, https://www.hsozkult.de/literaturereview/id/forschungsberichte-1223 [20.07.2021]; sowie zur neuen Beschäftigung mit den Arbeitswelten: Lutz Raphael, Deutsche Arbeitswelten zwischen globalen Problemlagen und nationalen Handlungsbezügen. Zeitgeschichtliche Perspektiven, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 69 (2021), Heft 1, S. 1-23.
    104. Vgl. Knud Andresen/Michaela Kuhnhenne/Jürgen Mittag/Johannes Platz (Hrsg.), Der Betrieb als sozialer und politischer Ort. Studien zu Praktiken und Diskursen in den Arbeitswelten des 20. Jahrhunderts, Bonn 2015.
    105. Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung: Bibliographie zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung und zur Theorie und Praxis der politischen Linken: http://library.fes.de/inhalt/ueberuns/bizga-system.htm [25.05.2021].
    106. Quellen zur Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung im 20. Jahrhundert, bisher 16 Bände seit 1986 für den Zeitraum 1914-1975, erst Bund-Verlag Köln, seit Band 12 Dietz-Verlag Bonn.
    107. Siehe https://www.gewerkschaftsgeschichte.de/ [20.07.2021].
    108. Vgl. den konzeptionellen Band zur sozialen Bewegungsforschung: Jürgen Mittag/Helke Stadtland (Hrsg.), Theoretische Ansätze und Konzepte der Forschung über soziale Bewegungen in der Geschichtswissenschaft, Essen 2014.
    109. Bisher in vier Sammelbänden dokumentiert: Andresen/Bitzegeio/Mittag (Hrsg.), Strukturbruch; Andresen/Kuhnhenne/Mittag/Platz (Hrsg.), Betrieb; Knud Andresen/Michaela Kuhnhenne/Jürgen Mittag/Stefan Müller (Hrsg.), Repräsentationen der Arbeit. Bilder – Erzählungen – Darstellungen, Bonn 2018; Franziska Rehlinghaus/Ulf Teichmann (Hrsg.), Vergangene Zukünfte von Arbeit. Aussichten, Ängste und Aneignungen im 20. Jahrhundert, Bonn 2019.
    110. Siehe die Website der International Conference of Labour and Social History (ITH) https://www.ith.or.at/de/ [20.07.2021].
    111. Als Überblicksskizze: Lucas Poy, IALHI at 50. A brief history, 1970-2020 (Beiträge aus dem Archiv der sozialen Demokratie, Heft 10), Bonn 2020, online unter http://www.ialhi.org/sites/default/files/conferences/Brochure_final.pdf [20.07.2021].
    112. Stefan Berger, „German Labour History is Back“ – Announcing the Foundation of the German Labour History Association, in: International Labor and Working-Class History, No 97 (2020), S. 185-189, online unter https://www.cambridge.org/core/journals/international-labor-and-working-class-history/article/german-labour-history-is-backannouncing-the-foundation-of-the-german-labour-history-association/14977D33B14427342F3E50A28F9B65A8 [20.07.2021].
    113. Für die Organisationssoziologie siehe Knud Andresen, Die Gewerkschaften. Ein klassisches Objekt der Organisationssoziologie, in: Marcus Böick/Marcel Schmeer (Hrsg.), Im Kreuzfeuer der Kritik. Umstrittene Organisationen im 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M./New York 2020, S. 437-452.
    114. Karl Marx, Instruktionen für die Delegierten des Provisorischen Zentralrats zu den einzelnen Fragen (1867), in: MEW, Bd. 16, Berlin 1964, S. 190-199, hier S. 197, online unter http://www.mlwerke.de/me/me16/me16_190.htm [20.07.2021].
    115. So in der Bewertung der Novemberrevolution 1918, vgl. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, hg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED, Band 3: Von 1917 bis 1923, Berlin 1966.
    116. Vgl. dazu: Theo Pirker, Die blinde Macht. Die Gewerkschaftsbewegung in Westdeutschland; Band 1: 1945-1952: Vom „Ende des Kapitalismus“ zur Zähmung der Gewerkschaften; Bd. 2: 1953-1960: Weg und Rolle der Gewerkschaften im neuen Kapitalismus, München 1960.
    117. Eberhard Schmidt, Ordnungsfaktor oder Gegenmacht. Die politische Rolle der Gewerkschaften, Frankfurt a.M. 1971.
    118. Am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen wird die Zweitauswertung systematisch betrieben, vgl. zu ersten Ergebnissen: Felix Bluhm, Kollektives Handeln in der Krise. Betriebliche Alltagskonflikte nach dem Boom, Hamburg 2019.
    119. Hier ist das Buch von Wolfgang Streeck aus dem Jahr 1981 ein Wendepunkt, Streeck, Organisationsprobleme.
    120. Klaus Schönhoven, Geschichte der deutschen Gewerkschaften: Phasen und Probleme, in: Schroeder/Weßels (Hrsg.), Gewerkschaften, S. 40-64, hier S. 43.
    121. Goetz Briefs, Gewerkschaftswesen und Gewerkschaftspolitik, in: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Jena 1927, Bd. 4, S. 1108-1150, abgedruckt in: ders., Ausgewählte Schriften, 2. Bde.: Wirtschaftsordnung und Sozialpartnerschaft, hg. von Heinrich Basilius Streithofen und Rüdiger von Voss, Berlin 1980, S. 557-633.
    122. Theodor Geiger, Die Klassengesellschaft im Schmelztiegel, Köln/Hagen 1949.
    123. Walther Müller-Jentsch, Gewerkschaften als intermediäre Organisation, in: ders., Arbeit und Bürgerstatus. Studien zur sozialen und industriellen Demokratie, Wiesbaden 2008, S. 51-78, hier S. 69; zuerst erschienen unter demselben Titel in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, SH 24/1982, S. 408-432.
    124. Walther Müller-Jentsch, Organisationsoziologie. Eine Einführung, Frankfurt a.M. 2003, S. 157f.
    125. Werner Abelshauser, Eigennutz verpflichtet. Die Verantwortung des Unternehmers in der kooperativen Marktwirtschaft, in: Geschichte und Gesellschaft 35 (2009), S. 458-471.
    126. So der Hinweis bei Schönhoven, Geschichte, S. 40f.
    127. Zur lokalen gewerkschaftsgeschichtlichen Historiografie und Meistererzählung vgl. Knud Andresen, Triumpherzählungen. Wie Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter über ihre Erinnerungen sprechen, Essen 2014, S. 27-42.
    128. = Peter Birke/Felix Blum, Migrant Labour and Workers' Struggles: The German Meatpacking Industry as Contested Terrain, in: Global Labour Journal 11 (2020), No. 1, S. 34-51, online unter https://doi.org/10.15173/glj.v11i1.3875 [20.07.2021].
    129. Es gibt nur wenige Arbeiten über die Auswirkungen für die Betroffenen des Strukturwandels. Grundlegend: Raphael, Kohle; aus arbeitsmedizinischer Sicht für Bremen: Wolfgang Hien u.a., Ein neuer Anfang wars am Ende nicht. Zehn Jahre Vulkan-Pleite: Was ist aus den Menschen geworden? Hamburg 2007; zum sozialen Profil des sogenannten Prekariats: Robert Castel/Klaus Dörre (Hrsg.), Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung. Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts, Frankfurt a.M./New York 2009.
    130. Mit organisationsnaher Perspektive: Sibylle Plogstedt, „Wir haben Geschichte geschrieben.“ Zur Arbeit der DGB-Frauen 1945-1990, Gießen 2013; sowie dies., Mit vereinten Kräften. Die Gleichstellungsarbeit der DGB-Frauen in Ost und West (1990-2010), Gießen 2015.
    131. Susanne Kreutzer, Vom ,,Liebesdienst“ zum modernen Frauenberuf. Die Reform der Krankenpflege nach 1945, Frankfurt a.M./New York 2005; Uwe Fuhrmann, „Frau Berlin“. Paula Thiede (1870-1919). Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden, Konstanz 2019.
    132. Anhand des „wilden“ bayrischen Bierstreiks in der Montanindustrie 1960 anschaulich geschildert und gedeutet bei: Dietmar Süß, Kumpel und Genossen. Arbeiterschaft, Betrieb und Sozialdemokratie in der bayerischen Montanindustrie 1945 bis 1976, München 2003, S. 172-176.
    133. Vgl. Karsten Uhl, Humane Rationalisierung? Die Raumordnung der Fabrik im fordistischen Jahrhundert, Bielefeld 2014.
    134. Vgl. Margret Mönig-Raane (Hg.), Zeitfragen sind Streitfragen. Ein zeitpolitisches Projekt setzt Zeichen für die Praxis, Hamburg 2005.
    135. Kalass, Neue Gewerkschaftskonkurrenz im Bahnwesen. Daten zu den früheren Richtungsgewerkschaften und Nicht-DGB-Gewerkschaften finden sich bei Schroeder/Weßels (Hrsg.), Gewerkschaften.
    136. Vgl. Hanns Jürgen Küsters/Rudolf Uertz (Hrsg.), Christlich-Soziale im DGB. Historische und aktuelle Fragen, Sankt Augustin 2010.
    137. Für die an sich gut beforschte IG Metall zum Beispiel wird häufig ereignisgeschichtlich immer noch zurückgegriffen auf: IG Metall – Vorstand (Hrsg.), Kampf um soziale Gerechtigkeit, Mitbestimmung, Demokratie und Frieden. Die Geschichte der Industriegewerkschaft Metall seit 1945, Köln 1989; als neuere Publikationen zur Geschichte der IG Metall: Boris Barth, Die IG Metall zwischen Wiedervereinigung und Finanzmarktkrise. Ausgewählte Ereignisse der jüngeren Gewerkschaftsgeschichte, Freiburg 2016; sowie Hofmann/Benner (Hrsg.), Geschichte der IG Metall.
    138. Vgl. Eberhard Schmidt, Arbeiterbewegung, in: Roland Roth/Dieter Rucht (Hrsg.), Die sozialen Bewegungen in Deutschland seit 1945. Ein Handbuch, Frankfurt a.M./New York 2008, S. 157-186.
    139. Mit weiterführender Literatur: Stefan Müller, Humanisierung der Arbeitswelt 1.0. Historisch-kritische Befragung eines Reformprogramms der Neunzehnhundertsiebzigerjahre, in: Willy Buschak (Hrsg.), Solidarität im Wandel der Zeiten – 150 Jahre Gewerkschaften, Essen 2016, S. 256-275, hier S. 274.
    140. Vgl. Nina Kleinöder, Unternehmen und Sicherheit. Strukturen, Akteure und Verflechtungsprozesse im betrieblichen Arbeitsschutz der westdeutschen Eisen- und Stahlindustrie nach 1945, Stuttgart 2015.
    141. Vgl. Ute Engelen, Demokratisierung der betrieblichen Sozialpolitik? Das Volkswagenwerk in Wolfsburg und Automobiles Peugeot in Sochaux 1944-1980, Baden-Baden 2013.
    142. Vgl. Dietmar Süß, Der Sieg der grauen Herren? Flexibilisierung und der Kampf um Zeit in den 1970er und 1980er Jahren, in: Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael/Thomas Schlemmer (Hrsg.), Vorgeschichte der Gegenwart. Dimensionen des Strukturbruchs nach dem Boom, Göttingen 2015, S. 109-127.
    143. Vgl. Albrecht Franz, Kooperation statt Klassenkampf? Zur Bedeutung kooperativer wirtschaftlicher Leitbilder für die Arbeitszeitsenkung in Kaiserreich und Bundesrepublik, Stuttgart 2014.
    144. Vgl. Hannes Platz u.a., Der Betrieb als sozialer und politischer Ort: Unternehmens- und Sozialgeschichte im Spannungsfeld mikrohistorischer, praxeologischer und diskursanalytischer Ansätze, in: Andresen/Kuhnhenne/Mittag/Platz (Hrsg.), Betrieb, S. 7-26.
    145. Die bisher beste historische Analyse bei: Günter Könke, Arbeitsbeziehungen in der hamburgischen Metallindustrie 1918-1974, Berlin 2004; Karl-Christian Führer (Hrsg.), Tarifbeziehungen und Tarifpolitik in Deutschland im historischen Wandel, Bonn 2004.
    146. Berger, Gewerkschaftsgeschichte.
    147. Zu den verschiedenen Erzählungen über die Einheitsgewerkschaft vgl. Gerhard Beier, Einheitsgewerkschaft. Zur Geschichte eines organisatorischen Prinzips der deutschen Arbeiterbewegung, in: ders., Geschichte und Gewerkschaft. Politisch-historische Beiträge zur Geschichte sozialer Bewegungen, Frankfurt a.M. 1981, S. 315-356, online unter http://library.fes.de/jportal/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00020167/afs-1973-207.pdf [20.07.2021].
    148. Andresen, Triumpherzählungen; Online-Portal: Zeitzeugen der Gewerkschaften, http://www.zeitzeugen.fes.de/ [20.07.2021].
    149. Detlev Brunner/Christian Hall, Revolution, Umbruch, Neuaufbau. Erinnerungen gewerkschaftlicher Zeitzeugen der DDR, Berlin 2014.
    150. Thomas Köcher, „Aus der Vergangenheit lernen – für die Zukunft arbeiten!“? Die Auseinandersetzung des DGB mit dem Nationalsozialismus in den 50er und 60er Jahren, Münster 2004.
    151. Vgl. eine Literaturstudie, die sich aber auf „linke“ Geschichte insgesamt bezieht: Jan Gerber, Verborgene Präsenzen. Gedächtnisgeschichte des Holocaust in der deutschsprachigen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung, Düsseldorf 2009, online unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_fomo_hbs_09.pdf [20.07.2021].
    152. Vgl. Klaus Mertsching, Die Auseinandersetzung des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit dem Erbe der NS-Zeit, in: Berger, Gewerkschaftsgeschichte, S. 267-278.
    153. Karl Christian Führer, Tarifbeziehungen und Tarifpolitik als Gegenstand der Geschichtswissenschaft. Einige einführende Bemerkungen, in: ders. (Hrsg.), Tarifbeziehungen und Tarifpolitik in Deutschland im historischen Wandel, Bonn 2004, S. 7-25, hier S. 7.